Das Jahr 2013 hatte die Europäische Kommission zum „Jahr der Luft“ ausgerufen. „Dicke Luft“ herrscht allerdings auch danach allerorten. Hinlänglich bekannt ist die Problematik der Luftqualität über die Feinstaubwerte, die etwa in Stuttgart regelmäßig nicht eingehalten werden. Spätestens mit „Diesel-Gate“ ist auch die Stickstoffproblematik bei der Luftqualität bekannter.
Die ökologischen Probleme einer Politik, die die Emissionen nicht in den Griff bekommt, treten immer deutlicher zutage. Auch die gesundheitlichen und ökonomischen Folgen sind gravierend. Über 400 000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr in Europa lassen sich laut Europäischer Kommission auf Luftverschmutzungen zurückführen. Auf 315 bis 947 Mrd. Euro jährlich beziffert eine Studie der EU-Generaldirektion Umwelt in ihrem Gutachten „Kosten-Nutzen-Analyse der Abschlusspolitikszenarien für den
die EU Clean Air Package“ die Gesundheitskosten. Davon entfallen allein auf Deutschland 47 bis 142 Mrd. Euro.
Aktuell wird in Brüssel die Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe (2001/81/EG − NEC-Richtlinie) überarbeitet. In der alten Richtlinie sind für die Luftschadstoffe Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffoxide (NOX), flüchtige organische Verbindungen außer Methan (NMVOC) und Ammoniak (NH3) nationale Emissionshöchstmengen mit dem Zieljahr 2010 enthalten. Von diesen lassen sich nationale Minderungsziele und entsprechende Maßnahmen ableiten.
Ich wollte nun von der Bundesregierung wissen, inwieweit diese nationalen Höchstmengen für Luftschadstoffe in Deutschland eingehalten werden. Aus der Antwort geht hervor, dass Deutschland den seit 2010 geltenden Emissionshöchstwert für Ammoniak von 550 Kilotonnen (kt) pro Jahr nie eingehalten hat und aktuell sogar um gut 23 Prozent überschreitet. Wobei die Zahlen für 2014 vorläufig sind und daher noch steigen können. Und das, obwohl Umweltverbände seit Jahren ambitionierte Grenzwerte nicht nur für Stickoxide und Feinstaub, sondern auch für Ammoniak fordern.
Angesichts der vorliegenden Zahlen ist absolut unverständlich, dass die Bundesregierung am 16.12.2015 Umweltrat in Brüssel gegen den vorgelegten Entwurf für eine Richtlinie über Nationale Emissionshöchstmengen (NERC) gestimmt hat. In dieser neuen Richtlinie sollen Minderungsziele für den Ausstoß von Luftschadstoffen bis 2030 für alle Mitgliedsstaaten der EU festgelegt werden. Begründung für das Abstimmungsverhalten war das angeblich zu hohe Reduktionsziel für Ammoniak von 29 Prozent. Ja, der Druck auf die Bundesregierung und vor allem ihre nicht umweltverträgliche Landwirtschaftspolitik nimmt zu. Nicht nur im Wasser zeigen sich mit deutlich überhöhten Nitrat- und Phosphatwerten die Folgen industrieller Tierhaltung, auch in der Luft lassen sich die gesundheits- und umweltpolitischen Mindeststandards der EU ohne eine substantielle Agrarwende nicht mehr einhalten. Eine ambitionierte Novelle der Düngegesetzgebung ist längst überfällig, doch die Regierung liefert immer noch nicht ausreichend, sondern unambitioniert, massiv verspätet undbeschwichtigend.
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