Ein gutes Leben für alle Menschen

Das englische Wort „Degrowth“ ist nicht nur schwer auszusprechen, sondern auch inhaltlich nur wenigen Menschen bekannt. Der OV Edewecht im Ammerland hatte mich eingeladen, mit ihm eine Diskussion über „Degrowth“ zu führen. „Wo bitte geht´s zur Zukunft? – Was kommt nach der Wachstumsgesellschaft“ hieß der Abend und es gab ein spannendes Gespräch.

Degrowth übersetze ich für mich mit „Ende des Wachstumsglaubens“, „Postwachstum“ oder „Wachstumswende“, wörtlich würde man wohl von „Schrumpfung“ sprechen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass eine auf stetigem Wachstum basierende Gesellschaftsform auf die Dauer keine Zukunft auf unserer begrenzten Erde hat. Bodenschätze, aber insbesondere der Boden als Grundlage nicht nur unserer Landwirtschaft sind endlich und auch mit noch so viel Technologie nicht immer weiter vermehrbar. Und nicht nur beim Verbrauch leben wir bereits weit über die planetaren Grenzen hinaus, auch bei unseren Emissionen, speziell bei den Treibhausgasen und beim Stickstoff, muten wir unserer Erde weit mehr zu als sie verkraften kann.

Jeder fängt bei sich selbst an, wenn ein nachhaltiger Lebensstil das Klima schützen soll (v.l.n.r.): Edeteilen Grambert, Ingo Faustmann, Dieter Herde, Christel Ahlers, Uwe Heiderich-Willmer, Hiltrud Engler, N.N. und ich.

Jeder fängt bei sich selbst an, wenn ein nachhaltiger Lebensstil das Klima schützen soll (v.l.n.r.): Edeteilen Grambert, Ingo Faustmann, Dieter Herde, Christel Ahlers, Uwe Heiderich-Willmer, Hiltrud Engler, Hergen Erhardt, N.N. und ich.

Wir müssen also unseren Wohlstand, unseren Lebensstil von wachsendem Ressourcenverbrauch entkoppeln. Da dies aufgrund des sogenannten Reboundeffektes aber nicht durch Effizienzsteigerungen allein möglich ist, muss es für uns im reichen „globalen Norden“  auch darum gehen, unser Wohlergehen anders, unabhängig von steigendem Konsum, ständiger Beschleunigung und Arbeitsverdichtung und Wachstum zu definieren. Neue Wohlstandsindikatoren abseits des Bruttoinlandsproduktes müssen her.

Gleichzeitig zwingt die globale Ungleichheit der Verteilung des Wohlstands und Konsums dazu, dass es nicht ausreichen wird, unseren Umweltverbrauch auf dem heutigen Niveau einzufrieren und anderen Teilen der Welt eine „nachholende Entwicklung“ zu ermöglichen. Globale Gerechtigkeit unter den Vorzeichen einer begrenzten Erde verlangt vielmehr ein grundsätzliches Nachdenken über unsere Konsumgesellschaft.  Eine Wachstumswende wird sich deshalb an den planetaren Grenzen, die es ermöglichen, die ökologischen Lebensgrundlagen zu erhalten, orientieren müssen. Das kann nicht nur ein politisches Projekt sein, sondern erfordert einen kulturellen Wandel.

Einige Leitfragen dazu haben wir angesprochen:

  • Brauche ich den ganzen Mist wirklich?
  • Entschleunigung?
  • Sharing?
  • Kreislaufwirtschaft, Cradle to cradle?
  • Unternehmen ohne Wachstumsziel?
  • Arbeit anders teilen?

Bei dem Abend in Friedrichsfehn sind wir in unserer Diskussion natürlich auch immer wieder auf die aktuelle Flüchtlingssituation gestoßen. Beim Thema Fluchtursachen stößt man neben Fragen der Rüstungsexporte immer wieder auf die Frage, inwieweit unser Wirtschaften in den reichen Ländern Menschen in armen Ländern die Lebensgrundlagen streitig macht. Fairer Handel statt eines ungezügelten Freihandels à la TTIP und CETA könnte hier helfen.

Was mich hoffen lässt, ist, dass offenbar doch immer mehr Menschen in ihrem Leben merken, dass das aktuelle System auf die Dauer nicht gesund und zukunftsfähig ist. Immer mehr junge Menschen – gerade in den Städten – verabschieden sich vom Besitz eines Autos. Sie sehen schlicht keine Notwendigkeit mehr darin, sondern nutzen über Car-Sharing dann ein Auto, wenn sie wirklich eines brauchen. Manche machen noch nicht einmal mehr einen Führerschein, weil sie intelligenter in ihrer Stadt mobil unterwegs sind. Der Club of Rome hat 1972 „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlicht. Papst Franziskus im vergangenen Mai seine Enzyklika „Laudato Si“ publiziert, in der er die soziale Frage stellt und dem Kapitalismus vorwirft, dass die Wirtschaft Mensch und Umwelt tötet. Klarer geht es kaum. Bei der Demo gegen TTIP am 10.Oktober waren 250.000 Menschen auf den Beinen und Wirtschaftsminister Gabriel sah sich genötigt, am selben Tag ganzseitige Anzeigen in Tageszeitungen in ganz Deutschland zu schalten, um den Bürger_innen vorzuhalten, wie dufte dieses Handelsabkommen mit den USA ist. Diese selbsternannte Elite steht mit dem Rücken an der Wand, weil sie merken, wir Lemminge gehen nicht sehenden Auges auf die Steilküste zu.

Insofern bin ich recht optimistisch, dass wir einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel gemeinsam hinbekommen. Nur wir müssen bei uns selber beginnen: Wer weiter denkt, kauft näher ein!

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