Bei der Neujahrsklausur der GRÜNEN Bundestagsfraktion ist ein wichtiges Thema mit Blick auf 2016 logischerweise das der Aufnahme von Geflüchteten. Für mich ist ganz entscheidend, dass Europa nicht weiter an die Wand gefahren wird. Ich sage klar in Richtung CSU, in Richtung Cameron, also Großbritannien: Es kann nicht sein, dass reine Rosinenpickerei stattfindet. Europa muss zu seinen Werten stehen.
Für mich macht es deshalb auch keinen Sinn, jetzt sinnlose Diskussionen zu führen über Obergrenzen. Das ist nichts anderes als Populismus. Obergrenzen sind verfassungswidrig. Das muss sich Herr Seehofer sagen lassen. Wir GRÜNE erwarten von der CSU als Teil der Regierungskoalition, auch dafür zu sorgen, dass diese Diskussionen aufhören und stattdessen endlich an einem Integrationskonzept gearbeitet wird.
Der Integrationsbeschluss, den wir auf unserer Fraktionsklausur gefasst haben, macht deutlich: Im Jahr 2016 müssen die Weichen gestellt werden, so dass Integration gelingen kann. Wir sollten den Menschen ehrlich sagen, was Integration bedeutet. Es bedeutet eine Anstrengung finanzieller Art, personeller Art und auch was die Strukturen angeht. Anstrengung finanzieller Art: Wir gehen davon aus, dass der Bund wenigstens 20 Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren hier investieren muss. Ich sage auch sehr bewusst das Wort „investieren“, weil in unseren Beratungen deutlich geworden ist: Diese Investition wird sich gesellschaftlich auszahlen und mittelfristig sogar auch ökonomisch.
Und wir brauchen andere Strukturen. Da geht es vor allen Dingen um Zusammenarbeit, Konzentration und Koordination der verschiedenen staatlichen Ebenen und Behörden. So muss z.B. auf der Bundesebene in einem Migrations- und Integrationsministerium dafür gesorgt werden, dass der Wirrwarr der Zuständigkeiten an einer Stelle gebündelt wird.
Wir sind aber auch der Meinung, dass Integration am allerbesten dort organisiert werden und gelingen kann, wo die Menschen leben. Wir brauchen Integrationscenter auf kommunaler Ebene. Wir wollen diese so organisieren, dass diejenigen, die jetzt im Sozialamt, im Jugendamt, an vielen anderen Stellen dafür zuständig sind, Integrationsleistungen zu erbringen, gebündelt an einer Stelle sitzen, sodass die neu Ankommenden eine Anlaufstelle haben. Dazu kommt aber selbstverständlich, dass es nach wie vor viele Bürger*innen gibt, die sich engagieren wollen. Auch für die ist solch ein Integrationscenter eine gute Anlaufstelle, damit sie das, was sie tun können, dort auch anmelden. Und dort soll auch das Geld verteilt werden, was vom Bund, von den Ländern oder den Kommunen für die jeweiligen Leistungen zur Verfügung steht.
Worum geht es inhaltlich?
Es geht darum, dass wir in die Bildung investieren. Es kommen Menschen hierher, die keinen Bildungsabschluss haben. Für die muss man dafür sorgen, dass sie schulische Bildung bekommen, dass sie Abschlüsse bekommen. Es geht darum, dass wir im Ausbildungssektor dafür sorgen, dass nicht nur die Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen, sondern es auch eine Bleibeperspektive für diejenigen gibt, die in Ausbildung sind. Und, verbesserte Bildungsangebote sind im übrigen für alle da, nicht nur für die Geflüchteten.
Es geht um Integration in den Arbeitsmarkt. Dafür braucht es Arbeitsförderungsmaßnahmen, oftmals parallel zu Sprachlernangeboten und den längst überfälligen Wegfall der Vorrangprüfungen. Auch bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse müssen sich unsere Kammern etc noch mehr bewegen.
Und natürlich geht es auch um den Wohnungsbau, eine ganz zentrale Forderung. In einigen Regionen haben wir seit dem Wegfall der Sozialbindungen im Wohnungsbau einen großen Mangel an bezahlbarem Wohnraum – nicht erst, seitdem Geflüchtete bei uns Zuflucht suchen. Hier geht es darum, neben einer menschenwürdigen Erstunterbringung schnell etwas zu tun, um von vorneherein auszuschließen, dass sich neue Ghettos bilden.
Und wie soll es weiter gehen?
Um endlich die furchtbaren gefährlichen Fluchten in wackeligen Schlauchbooten über das Mittelmeer oder den Weg über die Balkanroute zu beenden, brauchen wir schnellstens eine europäische und internationale Verständigung über Aufnahmequoten im Rahmen einer Nachfolgeregelung der unsolidarischen und längst auch faktisch gescheiterten „Dublin-Regelung“. Her liegt aus meiner Sicht auch das große Politikversagen der Regierung „Wirschaffendas-Merkel“: Für Wirtschaftskrisen, Finanzkrisen oder Bankenrettungen rauft sich Europa unter großem Druck gerade von Frau Merkel regelmäßig zusammen, um auf „Gipfeltreffen“ Lösungen zu suchen. Für die Bewältigung der riesigen Probleme der Geflüchteten fehlt dieses Engagement in Brüssel fast vollständig – und das, obwohl auch die Bundesregierung schon weit vor der Grenzöffnung im August wusste, dass das Dublin-Abkommen komplett gescheitert war. Sich dann hinzustellen und von einer plötzlich und unerwartet hereingebrochenen Krise zu sprechen ist genauso fahrlässig wie die alljährliche Überraschung der Bahn AG darüber, dass es im Winter Eis und Schnee auch an den Weichen geben kann.
Schreibe einen Kommentar