Hormonell wirksame Chemikalien: Mensch und Umwelt werden nicht ausreichend geschützt

In vielen Alltagsprodukten stecken hormonell wirksame Chemikalien - z.B. in der Innenbeschichtung von Konservendosen (Foto © Wilbert de Groot, Creative Commons, flickr.com)

In vielen Alltagsprodukten stecken hormonell wirksame Chemikalien – z.B. in der Innenbeschichtung von Konservendosen (Foto © Wilbert de Groot, Creative Commons, flickr.com)

Bisphenol A in der Innenbeschichtung von Konservendosen, Phthalat-Weichmacher in der Luftmatratze, Paracetamol als unbeschränkt zugelassenes Schmerzmittel in der Viehhaltung oder bestimmte Pestizide, die auf Äcker ausgebracht werden – Chemikalien, die wie Hormone wirken, sind in vielen Alltagsprodukten enthalten und gelangen in die Umwelt. Zahlreiche Wissenschaftler warnen vor den Auswirkungen dieser Stoffe auf Umwelt und Gesundheit, die Weltgesundheitsorganisation bezeichnet sie als „globale Bedrohung“. Um mich genauer über die Problematik zu informieren, habe ich gestern Abend am parlamentarischen Dialog „Hormonell wirksame Stoffe: die unsichtbare Gefahr“ teilgenommen.

Spannend und sehr informativ waren die Vorträge von Dr. Andreas Gies aus dem Umweltbundesamt und von Prof. Dr. Andreas Kortenkamp von der Brunel Universität in London. Sie plädierten dafür, die Belastung von besonders empfindlichen Gruppen wie Schwangeren und Kleinkindern mit diesen Stoffen zu reduzieren. Denn hormonell wirksame Chemikalien können die gesunde Entwicklung stören und werden mit einer Reihe von Krankheiten in Zusammenhang gebracht, etwa genitale Missbildungen bei Jungen, Hoden- und Brustkrebs oder schwache Spermien.

Die geltenden Gesetze schützen gerade ungeborene Kinder nicht ausreichend. Das Hauptproblem: Die Europäische Kommission zögert die Identifizierung dieser Chemikalien, die eigentlich über die EU-Biozid- und Pestizid-Richtlinie seit 2013 aus dem Verkehr gezogen sein müssten, seit Jahren hinaus – und wurde deshalb u.a. von Schweden verklagt. Mit Erfolg: im Dezember verurteilte das Gericht der Europäischen Union die EU-Kommission wegen Säumigkeit. Ob das der EU-Kommission allerdings Beine macht, ist fraglich. Während Länder wie Schweden, Dänemark und Frankreich beim Schutz ihrer Bevölkerung vor gefährlichen hormonell wirksamen Chemikalien, den sogenannten „endokrinen Disruptoren“, die Nase vorn haben, schiebt die Bundesregierung das Problem auf die lange Bank und verweist auf die EU, wie auch die Antwort auf unsere Kleine Anfrage zeigt. In Brüssel tut sich aber nichts, wie das Urteil belegt. Frankreich und Schweden wurden deshalb selbst aktiv, informieren ihre Bevölkerung über die Risiken und haben auf nationaler Ebene Verbote erlassen.

Peinliche Anekdote am Rande: die anwesenden CDU-Abgeordneten verließen die äußerst informative Fachveranstaltung nach wenigen Minuten wieder. Offenbar machen ihnen die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die sich daraus ableitenden politischen Konsequenzen für die Pharmabranche, aber auch für die industrielle Landwirtschaft Angst.

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