Immer noch größer?

Billigschnitzel kommen teuer! (Quelle: gruene-bundestag.de)

Billigschnitzel kommen teuer! (Quelle: gruene-bundestag.de)

Gestern, am 8. Juli, hatte ich die Möglichkeit, der Bauausschusssitzung in der Gemeinde Rastede beizuwohnen, die sich unter Augen und Ohren von mehr als 200 ZuhörerInnen mit der beantragten Ansiedlung eines Riesen-Stalls für 918 Kühe in Kleibrok beschäftigt hat.

Die Landwirtschaft in der Parklandschaft Ammerland ist seit einigen Jahren immer mehr in den Sog der Südoldenburger Intensivlandwirtschaft geraten. Flächendruck durch fehlgesteuerten Energiepflanzenanbau, unsichere, oftmals nicht kostendeckende Milcherzeugerpreise und eine „Geiz-ist-geil“-Mentalität vieler Lebensmittelkunden treiben bäuerliche landwirtschaftliche Familienunternehmen in die Spirale von größeren Einheiten, höheren Investitionskosten und immer größerer Abhängigkeit von schwankenden Marktpreisen.

Ein solches Szenario droht nun auch unserem immer noch von bäuerlichen Strukturen geprägten Ammerland. Immer größere Ställe für Hühner, Schweine oder Milchkühe werden beantragt und gebaut – mit sich ankündigenden gravierenden Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit (durch breiten Antibiotikaeinsatz aufgrund der hohen Tierbesatzzahlen entstehen gefährliche antibiotikaresistente Keime), auf Atemluft (95 % der Ammoniakemissionen werden der Landwirtschaft zugeschrieben) und das Grundwasser (überhöhte Gülleausbringungen führen zu überhöhten Nitratwerten). Auch für das Landschaftsbild, das eine wesentliche Grundlage des prosperierenden Tourismus im Ammerland ist, wird das aufkommende Vordringen der Massentierhaltung zur Bedrohung.

Doch trotz der vom Bundestag im April auf den Weg gebrachten Baurechtsänderung fehlen den für eine sinnvolle Flächennutzungsplanung zuständigen demokratisch legitimierten Gemeinderäten weitestgehend die Möglichkeiten, hier steuernd einzugreifen.

Aktuelle Bauanträge für übergroße Milchviehhaltungen in Rastede-Kleibrok und Apen-Tange zeigen dieses Defizit deutlich auf. Die eingeführte Möglichkeit, über eine verpflichtende Bauleitplanung für Ställe, für die aufgrund der geplanten Tierzahlen eine Umweltverträglichkeitsprüfung nötig ist, der Gemeinde ein Planungsinstrument in die Hand zu geben, greift nämlich nicht für „landwirtschaftlich privilegierte Intensivtierhaltungsanlagen“. Großställe, deren Betreiber nachweisen kann, dass er 50 % des Futters auf Betriebsflächen erzeugen könnte, gelten seit einer Baurechtsänderung in 2004 (§201 BauGB) trotz ihrer Größe als „bäuerlich“ und sind somit von der Bauleitplanung ausgenommen.

Ausstellung „Discrete Farms“ im Edith-Russ-Haus, Oldenburg

Ausstellung „Discrete Farms“ im Edith-Russ-Haus, Oldenburg

Dies wird der Realität heute nicht mehr gerecht, in der die übergroße Mehrheit der Bevölkerung die Massentierhaltung ablehnt und die Gemeindepolitik zu Recht für sich fordert, auch im Außenbereich gestaltend wirken zu können.

Nötig ist daher eine Weiterentwicklung des Baurechts, so dass Planungsgrundlagen für die übergroßen (z.B. über 600 Kühe), aber landwirtschaftlich privilegierten Intensivtierhaltungsanlagen (§35 Absatz 1 Nr. 1) genauso geregelt werden wie für die gewerblichen Tierhaltungsanlagen (§35 Absatz 1 Nr. 4). Außerdem muss Städten und Gemeinden zur Steuerung von Intensivtierhaltungsanlagen ermöglicht werden, für neu beantragte Tierhaltungsanlagen ein Bauverbot erlassen zu können, wenn bereits eine Tierdichte von zwei Großvieheinheiten pro Hektar auf der landwirtschaftlich genutzten Fläche erreicht oder überschritten ist. Drittens ist der §201 BauGB wieder (wie bis 2004) so zu definieren, dass nicht nur das Futter überwiegend (also über 50 Prozent) auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann, sondern auch tatsächlich zur Verfütterung im Betrieb verwendet werden muss.

Die VertreterInnen von CDU und FDP müssen also endlich nicht nur vor Ort gegen solche Fehlentwicklungen stimmen, sondern endlich aus der Region heraus in ihren Bundestagsfraktionen darauf drängen, die bisherige Blockadehaltung in diesen drei Punkten, die sich zuletzt in der Ablehnung des GRÜNEN Entschließungsantrags zur Baurechtsänderung gezeigt hat, schnellstmöglich zu beenden. Das gestrige einstimmige Abstimmungsergebnis aus dem Rasteder Bauausschuss lässt hier auf ein breiteres Umdenken hoffen.

Nur so können unsere Kommunalparlamente effektiv ihren Planungs- und Vorsorgeauftrag für Mensch und Natur wahrnehmen.

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