Peter im Gespräch mit Stefanie Werner vom Uba (rechts) und Dagmar Dehmer vom Tagesspiegel (Mitte) © Grüne Bundestagsfraktion/ Franz Mönke
Unsere Meere sind der größte Lebensraum der Erde. Sie sind die Schatzkammern der Artenvielfalt und von unschätzbarem Wert für uns alle. Dennoch vergiften wir sie täglich und müllen sie zu. Die Konsequenzen zeigen sich immer deutlicher: mittlerweile treiben riesige Müllstrudel im Meer, Meerestiere verenden qualvoll am verschluckten Plastik. Die Landwirtschaft spült Unmengen an Stickstoff und Pestiziden ins Meer. Die grüne Bundestagsfraktion hat sich mit Expertinnen und interessierten Bürgern getroffen, um die Gefährdung der Meere zu beleuchten und Maßnahmen zum Meeresschutz auszuloten.
Ich habe zum Streitgespräch „Plastikmüll im Meer – wie stoppen wir die Müllflut?“ eingeladen. Laut einer Studie des Umweltbundesamts landen bis zu zehn Prozent der jährlichen Kunststoffproduktion in den Weltmeeren. Das sind bis zu 30 Millionen Tonnen Plastik. Gleichzeitig ist Plastik ein Werkstoff, der aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken ist: man denke nur an den Schnorchel und die Taucherbrille, die uns die Schönheit der Unterwasserwelt erkunden lassen. In diesem Spannungsfeld bewegte sich die Diskussion, an der Stefanie Werner vom Umweltbundesamt, Dr. Rüdiger Baunemann von PlasticsEurope und Dr. Kim Cornelius Detloff vom NABU teilnahmen. Stefanie Werner machte gleich zu Anfang der Diskussion deutlich, wie schwerwiegend das Plastikproblem im Meer bereits ist: So haben 95 Prozent der tot aufgefundenen Eissturmvögel Plastik im Magen und in 98 Prozent der Basstölpel-Nester auf Helgoland sind Plastikreste verbaut. Bei diesen Ausmaßen kann auch die Kunststoffindustrie das Problem nicht ignorieren: sie verfolgt Aufklärungs- und Informationsstrategien und arbeitet daran den „Pellet Loss“, also Kunststoffverluste aus der Industrie, in den Griff zu bekommen.
Bei einer stetig anwachsenden weltweiten Plastikproduktion, die bereits bei 315 Millionen Tonnen pro Jahr liegt, stellt sich die Frage, ob wir wirklich so viel Plastik brauchen und wie die Wachstumsspirale gestoppt werden kann. In Deutschland hat die Menge an Kunststoffverpackungen seit 2009 um fast ein Drittel zugenommen. 60% des in Supermärkten verkauften Obsts und Gemüses ist in Plastik verpackt. Gerade der Boom von „Convenience-Produkten“ wie Kaffeekapseln, Einwegbechern- und Flaschen hat massive Umweltfolgen, auch im Hinblick auf die Ressourcenverschwendung. Ich sprach mich deshalb für mehr Anreize für Müllvermeidung und Recycling aus. Wenn die Hersteller nicht von selbst Konzepte zur Müllvermeidung auflegen, muss auch über Umweltabgaben nachgedacht werden. Für bestimmte Einsatzbereiche kann auch abbaubares Plastik eine Lösung sein. Allerdings existiert bisher noch kein Standard für die Abbaubarkeit in der Meeresumwelt.
]]>Die europäischen Ziele zur Verminderung von Plastiktüten sind für Deutschland allerdings unterambitioniert. Bis zum Jahr 2019 sollen höchstens 90 Plastiktüten pro Einwohner pro Jahr verbraucht werden, bis zum Jahr 2025 nicht mehr als 40. Im Durchschnitt verbrauchten die Europäer laut einer Studie der Europäischen Kommission im Vorfeld der jetzt beschlossenen Regelung 198 Plastiktüten pro Jahr und Einwohner. Die Ziele entsprechen also einer Reduzierung um knapp 50% bis 2019, und 80% bis zum Jahr 2025. Es bleibt den Mitgliedsstaaten überlassen, welche Maßnahmen sie ergreifen. Irland hat bereits vor einiger Zeit eine Umweltabgabe auf Plastiktüten eingeführt, andere Staaten Verbote ausgesprochen, beispielsweise Italien, Frankreich und Rwanda.
In Deutschland wurden im Jahr 2010 laut Studie der Europäischen Kommission pro Einwohner und Jahr 71 Plastiktüten verbraucht. In einigen Ländern sind es aber immer noch wesentlich weniger, zum Beispiel Irland (18) und Luxemburg (20). Auch wenn Deutschland das EU Ziel für 2019 bereits erreicht hat – angesichts der Notwendigkeit von Ressourcenschonung und Müllvermeidung darf sich die Bundesregierung nicht hinter diesen EU-Zielen verstecken und jetzt die Hände in den Schoß legen.
Im Gegensatz zu Irland fehlen in Deutschland noch die richtigen Anreize, um die Abkehr von Ex-und-weg-Tüten zu schaffen. Plastiktüten sollen zumindest nicht mehr kostenlos abgegeben werden. Deshalb fordern wir Grüne bereits seit langem analog zu Irland eine Umweltabgabe auf Plastiktüten.
Wenn die EU bereits beschließt, die Plastiktüten um 50 % oder sogar 80 % zu reduzieren, darf Deutschland dahinter nicht zurückstehen. Eine solche Reduzierung wäre – mit den richtigen Anreizen versehen – auch bei uns machbar. Das schont die Umwelt und vermeidet den überflüssigen Gebrauch von Plastik im Alltag – denn ökologischere Alternativen stehen zur Verfügung: Rucksäcke, Einkaufskörbe oder mehrmals verwendbare Einkaufstaschen.
Exkurs: Meere versinken im Plastikmüll
In jedem Quadratkilometer Meer schwimmen inzwischen zehntausende Teilchen Plastikmüll. Seevögel verenden qualvoll, weil sie sich im Plastik verfangen oder es mit Nahrung verwechseln. Schildkröten halten Plastiktüten für Quallen, Vögel verwechseln kleine Plastikteile mit Krebsen. In den Ozeanen treiben inzwischen Müllstrudel so groß wie ganze Kontinente. Strände von Inseln versinken im Müll. Und auch in Nord- und Ostsee sind Plastikabfälle, oftmals Tüten, eine Gefahr für Fische, Vögel und Meeressäuger.
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Mikroplastik weiter verbreitet als bisher angenommen – Bundesregierung aber weiterhin unwissend über die Belastungen in Deutschland.
Bereits seit einigen Jahren ist bekannt, dass kleine Kunststoffpartikel z.B. Kosmetika beigesetzt werden und diese anschließend frei der Umwelt zu finden sind. Doch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage Mengen, Verbleib und Auswirkung von Mikroplastik macht klar, dass wir bisher erst die Spitze des Eisberges sehen. Nach Angaben der Bundesregierung ist bisher von mehr als 250 marinen Lebewesen bekannt, dass sie Kunststoffe während der Nahrungsaufnahme aufnehmen. Darunter sind Schalen- und Krustentiere sowie Fischarten wie die Sprotte, die auch für die menschliche Ernährung Bedeutung haben.
Nahrungsnetz im Meer schon heute grundsätzlich gestört
Passen muss die Bundesregierung allerdings bei der Frage, wie die Belastung der deutschen Gewässer aussieht. Hier kann sie bisher nur Daten aus dem Mittelmeer und dem Pazifik nennen. So ist das Verhältniss Plastikteilchen zu Zooplankton (kleine Tierchen im Wasser, Ruderfußkrebse aber auch Larven von Krebsen oder Fischen) im nordwestlichen Mittelmeer 1:2 und im pazifischen Müllstrudel sogar 6:1. Das heißt, auf ein Tierchen kommen sechs Plastikteilchen. Zooplankton spielt als Nahrungsquelle für Fische und viele andere Meereslebewesen eine entscheidende Rolle. Wenn nun auf ein Nahrungsteilchen sechs Plastikteilchen kommen wird klar: Das Nahrungsnetz ist grundsätzlich gestört.
Dabei ist noch nicht mal unterstellt, dass diese Plastikteilchen auch aufgenommen werden. Doch auch die Bundesregierung gibt zu, dass Mikroplastik gefressen und über den Verdauungstrakt ins Körpergewebe eingelagert werden kann. Somit landet dieses Plastik auf unseren Tellern.
Immer mehr Einsatzgebiete von Mikroplastik
Die einzige Zahl, die die Bundesregierung für Deutschland liefern kann, ist eine Schätzung. Die Bundesregierung geht von einer jährlichen Gesamtmenge von Mikroplastik in kosmetischen Mitteln aus Polyethylen (PE) von etwa 500 t aus. In wie weit diese in den Kläranlagen zurückgehalten werden können, kann die Bundesregierung immer noch nicht sagen (vergleiche Antwort der Bundesregierung vom November 2012 Bundestagsdrucksache 17/11736) und verweist auf Studien aus den Niederlanden und Russland. Dafür liefert sie weitere Beispiele, wo Mikroplastik ohne eine sachgemäße Entsorgung zum Einsatz kommt: Zum Beispiel bei der Verwendung von Mikroplastik in Wasch- und Desinfektionsmitteln im Gewerbe und der Industrie oder in Strahlmitteln zum Entgraten und Reinigen von Oberflächen
Bundesregierung will nur reden und nicht handeln
Klar ist auch der Bundesregierung, dass die massive Freisetzung von Plastik (insbesondere von Mikroplastik) in die Umwelt, nachgewiesen schädlich für Meeresorganismen ist und diese Freisetzung langfristig gegen Null reduziert werden sollte. Doch weder sind entsprechende ausreichende Forschungsvorhaben gestartet worden, noch handelt die Bundesregierung, um die Freisetzungen einzuschränken. So ist sie weiterhin mit der Kosmetikindustrie im „Dialog“ um diese zu einer freiwilligen Ausstieg aus der Nutzung von Mikrokunststoffpartikeln in Kosmetikprodukten zu bewegen.
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