Suffizienz – Peter Meiwald http://www.peter-meiwald.de Bundestagsabgeordneter für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Tue, 26 Sep 2017 21:44:11 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.8.2 Ökologie ins Zentrum des Handelns http://www.peter-meiwald.de/oekologie-ins-zentrum-des-handelns/ http://www.peter-meiwald.de/oekologie-ins-zentrum-des-handelns/#comments Thu, 06 Apr 2017 08:38:45 +0000 http://www.peter-meiwald.de/?p=11753 ]]> Der Weltressourcenrat der Vereinten Nationen hat jüngst einen Bericht veröffentlicht der zeigt, dass die Prognosen der UN zur weiteren Entwicklung des weltweiten Ressourcenverbrauchs alarmierend sind. Ein „weiter so“ bei unser aller derzeitigem Rohstoffverbrauch würde die Ressourcenmenge auf 186 Milliarden Tonnen im Jahr 2030 zum jetzigen Stand noch verdoppeln. Dabei hat sich der Verbrauch und der Abbau an Rohstoffen im 20. Jahrhundert bereits verzehnfacht. Das übersteigt die Regenerationsfähigkeit unserer Erde bei weitem und geht über die planetare Substanz hinaus.

Wir sind zum Handeln gezwungen und müssen unsere demokratischen Entscheidungen und Wirtschaftsprozesse viel stärker als bisher ökologisch und sozial rückbinden und ausrichten. Gerade wirtschaftspolitische Entscheidungsprozesse müssen vor diesem Hintergrund in Teilen tatsächlich re-demokratisiert werden. Für die flächendeckende Durchsetzung und die Wiederherstellung des Primates der Politik braucht es einen langen Atem, aber der ist nötig, denn der entfesselte Finanzmarktkapitalismus der letzten Dekaden muss in ein Gesamtmodell ökologischer und sozialer Enkeltauglichkeit überführt werden.

Hierbei greift das Umsichwerfen mit – je nach Szene, Parteifarbe oder Denkschule – bekannten Lieblingsbegriffen wie „soziale Marktwirtschaft“ oder „Keynesianismus“ zu kurz. Diese bleiben gegenüber akuten klima-, ressourcen- oder artenschutzbedingten Essentials relativ sprachlos, weil sie ideengeschichtlich vor den sich verschärfenden Krisen anzusiedeln sind. Gleichwohl muss berücksichtigt werden, dass sie in den Köpfen nach wie vor sehr wirkungsmächtig sind. Es braucht also in der politischen Debatte eine bewusst neue Sprache oder zumindest neue Begriffe. Gut geeignet und treffend erscheint mir der Begriff der Ökosozialen Transformation.

Wir müssen uns die Notwendigkeit von Grenzen, wenn wir über unsere dingliche Umwelt und ihre Ressourcenausbeutung sprechen, klarmachen. Diese sind gleichbedeutend mit den Grenzen des allgegenwärtigen Wachstumsparadigmas. Der Gedanke ist natürlich nicht neu, und wird zumindest theoretisch auch breit geteilt, wenn man beispielsweise bedenkt, dass das Konzept der Planetaren Grenzen sogar Einzug in die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung gefunden hat. Aber was nützt alles geduldige Papier, wenn weder zwischen den einzelnen Ressorts und Politiken, noch Ebenen übergreifend zwischen nationalem und supranationalem Handeln, etwa auf der EU-Ebene, keine verbindliche Klammer, keine Kohärenz vorherrscht, die diese bekannten Wahrheiten berücksichtigt?

Mit Klein-Klein und Verbesserungen im Detail kommen wir angesichts der anstehenden Mammutaufgaben kaum entscheidend weiter. Und so ist es zwar richtig, dass Technologieinnovation und Effizienz uns den Weg in eine ressourceneffizientere Wirtschaft weisen können. Allerdings gehen viele Konzepte zur Green Economy bislang noch zu wenig auf heikle Verteilungs- und Machtfragen ein.
Meint man es ernst mit dem Stopp am Raubbau unseres Planeten, können wir auf den Staat als Akteur und rahmensetzende Institution nicht verzichten, und zwar vor allem wegen seines Vermögens bestehende umweltschädliche Subventionen abzubauen, eine ökosensible Forschungs- und Industriepolitik zu finanzieren, und vor allem um gesetzliche Standards sowohl national wie international zu formulieren und zu sanktionieren.

Große, ressortübergreifende ordnungspolitische Vorhaben zur Begrenzung des Energie- und Naturverbrauchs, großräumiger Natur- und Artenschutz wie er gerade im südlichen Afrika, aber – wenn wir uns den Verlust an Artenvielfalt im eigenen Land anschauen – auch bei uns dringendst nötig ist, und Verbote von Rohstofferschließungen in ökosensiblen Gebieten werden kaum angegangen. Stattdessen stützen staatliche Regierungen mit finanz- und forschungspolitischen Anreizen die Interessen der großen transnational agierenden Konzerne. Bezogen auf den Rohstoffraub – gerade in Afrika – muss man dabei gar nicht einmal mehr Richtung China blicken. Europäische Firmen sind hier in „guter“ postkolonialer Tradition und unterstützt von den heimischen Wirtschaftsressorts ihrer Regierungen ebenfalls im großen Stil beteiligt. Diese verteidigen die Sicherung von Eigentumsrechten (Landerwerb, Patentrechte usw.) und unterstützen somit die privatwirtschaftliche Ressourcenausbeutung.

Am anderen Ende der Lieferkette sind wir mit Billigprodukten konfrontiert, die so konzipiert sind, dass sie schnell weggeworfen und nur selten repariert werden. Diese unverantwortliche Art sowohl des Produktdesigns wie auch Konsums verbraucht eine Vielzahl nichterneuerbarer Ressourcen. Sie erzeugen – nach Gebrauch – auch mehr Abfall, als die Umwelt verkraften kann. Eine Ökonomie, die an natürlichen Grenzen orientiert ist, muss ökologische Kosten in Energie- und Transportpreise internalisieren. Erst so wird die Frage, ob Güter nicht doch an Ort und Stelle produziert werden können, ernsthaft angegangen.

Auf umfassenden Handel muss dabei nicht aufgrund des Klimawandels oder der Ressourcenkrise verzichtet werden. Aber diese zwingen uns jene rücksichtslose Form des Freihandels aufzugeben, deren Geist heute die allermeisten bilateralen Handelsabkommen ebenso beherrscht wie die WTO. Was wir brauchen ist ein internationales Fairhandelsregime mit öko-sozialen Leitplanken. Wenn wir dies ernsthaft anstreben, liegt hier auch global eine Chance für Menschen ohne Arbeitsplatz, für Landwirte, die mit Billigimporten konkurrieren müssen, für Kommunen, aus deren Gemeindegebiet Fabriken ins Ausland verlagert, und deren örtliche Gewerbe durch Ketten und Shopping-Malls verdrängt wurden.

Allerdings klappt das nicht ohne Umdenken und einen mutigen Ausbruch aus dem mindestens 30 Jahre alten Denken. Die Macht großer Unternehmen muss eingegrenzt werden und das verzahnte Wirken vieler Akteure und Prinzipien an vielen Stellen ist nötig, und muss zum Teil auch erst eingeübt werden. Wir reden hier über das bewusste Agieren beispielsweise von Städten und Gemeinden, sei es im eigenen Wirkungskreis, wie dem Beschaffungswesen, oder beim Austausch von best practice in der Nord-Süd- bzw. Süd-Süd-Zusammenarbeit. Wir reden von aktiven, emanzipierten Nachbarschaften und Initiativen im sozialräumlichen Umfeld oder in sozialen Netzwerken. Bei den Instrumenten und Prinzipien reden wir von einer Orientierung an Modellendes „Guten Lebens“, der Genügsamkeit oder der Susistenz, sowie auch von einem bewussten Einsatz des Ordnungsrechts auf allen politischen Ebenen.

Wir leben längst auf Kosten unserer Enkel und der Menschen in weiten Teilen des globalen Südens und kommen letztlich – jeder von uns – auch nicht umhin, unsere Art des Konsums und Wirtschaftens laufend in Frage zu stellen und im Alltag ökologischer zu handeln. Nur wenn wir lernen politisch und als Verbraucher Grenzen zu setzen, werden wir die Natur und auch unser eigenes Leben und Gesundheit auf diesem Planeten enkeltauglich schützen können.

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Ressourceneffizienz endlich ernst nehmen http://www.peter-meiwald.de/ressourceneffizienz-endlich-ernst-nehmen/ http://www.peter-meiwald.de/ressourceneffizienz-endlich-ernst-nehmen/#respond Mon, 11 Jul 2016 14:24:43 +0000 http://www.peter-meiwald.de/?p=9587 ]]> Elektroschrott by Pierre Willscheck, on flickr.com, CC license

Elektroschrott by Pierre Willscheck, on flickr.com, CC license

Am vergangenen Donnerstag wurde das Ressourceneffizienzprogramms „ProgRess II“ im Deutschen Bundestag beschlossen. Das Programm für mehr Ressourceneffizienz „ProgRess II“ analysiert und beschreibt die völlig unbefriedigende Situation in Deutschlands Umgang mit Ressourcen recht gut. So hat es zwar in einigen Bereichen Effizienzsteigerungen gegeben, der Trend zur Ressourcenverschwendung über die Belastungsgrenzen unserer Erde hinaus ist aber auch nach 4 Jahren ProgRess ungebrochen.

Wollen wir aber unseren Enkeln eine lebenswerte Erde erhalten, müssen wir endlich den absoluten Ressourcenverbrauch in unserem Land und den ökologischen Rucksack unseres Konsums deutlich verringern.

Der Markt alleine und selbst steigende Rohstoffpreise werden aber nicht zu der dringend benötigten Entkoppelung von Konsum und absolutem Ressourcenverbrauch führen. Dafür sind die bekannten Reboundeffekte viel zu stark.

Die hierfür nötigen ordnungsrechtlichen Maßnahmen aber fehlen leider im Programm der Bundesregierung völlig.

Dabei ist es überraschend und enttäuschend, dass die zahlreichen konstruktiven Vorschläge aus dem Bürgerratschlag keinen Einzug in ProgRess II gefunden haben. So verkommt gut gemeinte und sinnvolle Bürgerbeteiligung zur reinen Simulation und steigert die Politikverdrossenheit.

Die Bundesregierung ist nun gefordert, die Vorschläge zur Ausweitung der Produktverantwortung endlich in einem echten Wertstoffgesetz umzusetzen anstatt mit weiterer Flickschusterei den beschämenden Status Deutschlands als Verpackungsmüll-Europameister weiter zu zementieren. Plastiktüten, Coffee-to-Go-Becher oder Kaffeekapseln sind ja nicht nur den Beteiligten am Bürgerratschlag als deutliche Symbole sinnloser Ressourcenverschwendung aufgefallen.

Auch der Einstieg in eine Primärrohstoffsteuer im Rahmen eines Ressourcenschutzgesetzes ist ein sehr vernünftiger Vorschlag aus dem Bürgerratschlag, der in ein echtes ProgRess-Programm gehört, aber leider von der Bundesregierung nicht aufgegriffen wurde.

Und in einem Europa der neoliberalen Deregulierung der Kreislaufwirtschaft ist endlich eine klare Positionierung Deutschlands zugunsten von Umwelt und Rohstoffeinsparung nötig. Aktuell aber wird unser Land auch in Brüssel eher als Bremser wahrgenommen. Ressourcenpolitik muss weiter ins Zentrum des politischen Handelns gerückt und aus der Wahrnehmung als reines Anhängsel der Energieeffizienzdebatte herausgeführt werden. Dabei dürfen neben der Verbesserung der Effizienz auch Fragen von Suffizienzstrategien kein Tabu mehr sein.

Rede (Protokoll) zumRessourceneffizienzprogramm II von Peter Meiwald ab Seite 245 Drucksache 18/183

Programm zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der natürlichen Ressourcen (Deutsches Ressourceneffizienzprogramm II) BT-Drucksache 18/7777

Programm zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der natürlichen Ressourcen (Deutsches Ressourceneffizienzprogramm) Drucksache 17/8965

Ressourcenverschwendung stoppen – Nationales Ressourceneffizienzprogramm zukunftsfähig ausgestalten BT-Drucksache 18/7047

Beschlussempfehlung und Bericht Drucksache 18/9094

 

 

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Regionalentwicklung und Kommunalpolitik anders denken http://www.peter-meiwald.de/regionalentwicklung-und-kommunalpolitik-anders-denken-eine-diskussion-um-postwachstum/ http://www.peter-meiwald.de/regionalentwicklung-und-kommunalpolitik-anders-denken-eine-diskussion-um-postwachstum/#comments Fri, 20 May 2016 16:52:07 +0000 http://www.peter-meiwald.de/?p=9041 ]]> v.r.n.l.: Anja Humburg, Dr. Julia Verlinden MdB & ich

v.r.n.l.: Anja Humburg, Dr. Julia Verlinden MdB & ich

Eine Diskussion um Postwachstum

Mit den Grenzen des Wachstums und vor allem den Grenzen unserer Ressourcen und der Belastbarkeit von Umwelt und Natur, müssen wir für die Zukunft ein neues „Gesellschaftsmodell“ entwickeln, bei dem die Wirtschaft der Natur angepasst wird und nicht umgekehrt.

Schon jetzt werden beispielsweise in Deutschland pro Kopf viermal so viele Ressourcen verbraucht, wie uns global gesehen eigentlich zur Verfügung stehen würden. Zu einer diesbezüglichen Abendveranstaltung im Ostbahnhof in Dannenberg hatte mich meine Kollegin und dort heimische grüne Bundestagsabgeordnete, Dr. Julia Verlinden eingeladen. Außer ihr und mir als umweltpolitischem Sprecher der Fraktion dabei: die Umweltwissenschaftlerin und Journalistin Anja Humburg sowie Reinhard Siebolds, Sprecher vom Grünen Ortsverband Elbtalaue.

In der Diskussion wurde deutlich. dass auch im Wendland ist der „ökologische Fußabdruck“ unseres Lebens und Wirtschaftens zu groß ist. Die Menge des CO2– Ausstoßes pro Person beispielsweise ist hier nicht bedeutend niedriger als im Rest von Deutschland – und damit noch deutlich zu hoch, wenn wir eine enkeltaugliche Zukunft anstreben.

In meinem Beitrag skizzierte ich einmal mehr das Ziel der doppelten Entkopplung: Wirtschaftliche Entwicklung muss viel stärker als bisher vom Ressourcenverbrauch entkoppelt werden, damit dieser nicht weiter steigt, sondern sinken kann. Außerdem – hierauf weisen wir als grüne Bundestagsfraktion ja auch mit unserem Jahreswohlstandsbericht hin – ist es sinnvoll und erstrebenswert, Lebensqualität von Wirtschaftswachstum zu entkoppelt.

Die Umweltwissenschaftlerin und Journalistin Anja Humburg verwies in der Diskussion darüber hinaus auf diverse positive Praxisbeispiele, wie etwa der gemeinschaftsorientierten Landwirtschaft (CSA) in Tangsehl. Dort werden deren Mitglieder mit Früchten der Saison versorgt und zahlen dafür einen festen Monatsbeitrag. Sie forderte ein „essentielles Praktizieren von postkollapsfähigen Kulturtechniken“, und betonte, dass in diesem Fall Gruppen der Bevölkerung weiter als die Politik seien. Die „Degrowth-Bewegung“ hat demnach schon eine große Breite und Dynamik erreicht. Gerade unter jungen Leuten ist das Bewusstsein für ein Ende des Wachstums weit verbreitet.

Reinhard Siebolds stellte des Weiteren den Bezug zur kommunalpolitischen Ebene her. Er forderte die Rekommunalisierung von wichtigen Diensten der Daseinsvorsorge. Für ihn ist es eine kulturelle Lebensstilfrage, sich wieder mehr auf regionale Kreisläufe zu besinnen.

Die Diskussion mit dem Publikum drehte sich um philosophische Grundsatzfragen einerseits, aber auch um konkrete praktische Beispiele und Herausforderungen vor Ort.  Die Debatte wird auch im Wendland fortgesetzt werden: So soll das Thema beispielsweise im Rahmen des „Masterplan Klimaschutz“ weiter bearbeitet werden. Dafür ist geplant eine Arbeitsgruppe Suffizienz beim Landkreis einzurichten, die weitere Schritte für die praktische Umsetzung erarbeiten will.

Julia Verlinden zog als Moderatorin abschließend ein positives Resümee: „Es bleibt unser Ansporn, die Lebensqualität im ländlichen Raum zu erhöhen und dies nicht auf Kosten der Natur oder zukünftigen Generationen. Das Wendland hat sowohl durch seine natürliche Vielfalt, als auch durch seine kreativen Menschen die besten Voraussetzungen für eine spannende gesellschaftliche Transformation und für Pioniere einer ganz neuen Postwachstums-Kultur.“ Dem kann ich mich nur anschließen, und hinzufügen, dass dies selbstverständlich auch nicht minder für meine Region Weser-Ems gilt.

Herzlichen Dank noch einmal für die Einladung zu diesem produktiven und spannenden Abend!

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