Wirtschaft – Peter Meiwald http://www.peter-meiwald.de Bundestagsabgeordneter für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Tue, 26 Sep 2017 21:44:11 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.8.2 Anders wirtschaften – andere Wohlstandsindikatoren entwickeln http://www.peter-meiwald.de/themen/postwachstum/andere-wohlstandsindikatoren/ http://www.peter-meiwald.de/themen/postwachstum/andere-wohlstandsindikatoren/#respond Sat, 21 Sep 2013 05:34:23 +0000 http://www.peter-meiwald.de/?page_id=1785 ]]> Wohlstand ist mehr als nur die Versorgung mit materiellen Dingen für den Lebensunterhalt. Er beruht auf der Möglichkeit, innerhalb der ökologischen Grenzen unseres endlichen Planeten physisch, psychisch und sozial zu gedeihen und sinnvoll am Leben der Gesellschaft teilzunehmen. Er wird also auf der einen Seite von ökologischen Grenzen, auf der anderen Seite von gerechter Aufteilung bestimmt. So weit, so bekannt – eigentlich. Und doch so wenig bedacht.

Überwiegend wird Wohlstand als ökonomische Größe verstanden. Nutzen oder Glück wird am Konsum von Gütern gemessen, nicht an Arbeitsbedingungen, nicht an der Qualität der Umwelt und nicht an sozialem Zusammenhalt. Einfach, weil sich unsere Volkswirtschaft vor allem auf die materiellen Aspekte des Lebens konzentriert. Deswegen hat es sich durchgesetzt, das Bruttoinlandsprodukt (=BIP) als taugliche Messgröße für den Wohlstand einer Nation oder Region anzusehen. Das BIP beziffert den wirtschaftlichen Wert der auf dem Markt gehandelten Güter und Dienstleistungen. Es misst die Gesamtausgaben der Haushalte, des Staates und sämtliche Investitionen im Land. Wirtschaftlich-ökonomisch betrachtet ist deswegen zum Erhalt und zur Vermehrung des Wohlstands eine stetige Steigerung des BIP pro Kopf, also dauerhaftes Wirtschaftswachstum nötig.

Wohlstandsindikatoren: Himbeeren

Manchmal reichen ein paar süße Himbeeren zum Glück…

Allerdings – und das wird oft übersehen – gibt es auch eine Menge, was das BIP nicht kann. Seine Aussagekraft bezüglich der Wirtschaftskraft der Menschen in einer Volkswirtschaft ist ungenau, da Schwarzarbeit, Subsistenzwirtschaft und unbezahlte Tätigkeiten wie Hausarbeit oder Ehrenämter nicht oder nur näherungsweise mitberechnet werden. Die Verteilung der Einkommen zwischen den Bevölkerungsgruppen wird nicht berücksichtigt. Das BIP unterscheidet nicht zwischen Ausgaben, die dazu dienen, Schaden abzuwehren, und denen, die dem Statuskonsum dienen. Auch der langfristige Zustand der sozialstaatlichen Sicherungssysteme (Gesetzliche Rentenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung) und weitere Faktoren wie z. B. sozialer Frieden, Luftqualität, Erholungsgebiete und der Zustand der natürlichen Ressourcen werden vom BIP nicht erfasst. Die Kosten von Umweltverschmutzungen und langfristiger Schädigung der Umwelt, Kosten von Kriminalität oder durch Verkehrsunfälle verursachte Kosten führen zu einer Steigerung des BIP, sind aber höchst schädlich für Wohlstand und Lebensqualität. Als Beispiel kann hier der Hurrikan Katrina dienen, der Ende August 2005 vor allem New Orleans verwüstete. Laut Wikipedia beliefen sich z.B. die durch diese Naturkatastrophe verursachten Schäden auf mindestens 125 Mio. Euro, die im BIP der betroffenen Bundesstaaten trotz aller Dramatik positiv zu Buche schlugen.

All das macht deutlich, dass das BIP allein kein sinnvoller Maßstab für wirtschaftliches Wohlergehen sein kann. Deswegen ist für uns GRÜNE die einseitige Fixierung auf das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) als Kriterium für wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg nicht länger hinnehmbar. Wir brauchen neue Indikatoren, die neben den ökonomischen Aspekten auch den ökologischen und sozialen Zustand unseres Landes abbilden.

Wer sich die Mühe macht und im Internet recherchiert, wird überrascht sein, wie viele Beispiele für die Suche nach anderen Indikatoren, die als Ergänzung zum oder als Ersatz des BIP geeignet sind, angedacht und ausprobiert wurden bzw. werden. Hier sollen nur einige Schlagwörter genannt und zur eigenen Recherche empfohlen werden: Bruttonationalglück Bhutan, Weltbank-Index für Nettoersparnisse, Initiative „Beyond GDP“ (Jenseits des BIP, u.a. Europäische Kommission), Ökologischer Fußabdruck, Happy Planet Index (HPI), Konzept des Buen Vivir in den Verfassungen von Ecuador und Bolivien, Human Development Index (HDI), Index auf Sustainable Economic Welfare (ISEW, zu deutsch etwa Index für nachhaltigen wirtschaftlichen Wohlstand), Genuine Progress Indicator (GPI, zu deutsch etwa Echter Fortschrittsindikator), Nationaler Wohlfahrtsindex (NWI). Und das ist auch noch eine unvollständige Aufzählung.

Der GRÜNE WohlstandskompassIm Dezember 2010 wurde auf Initiative der GRÜNEN hin die parteiübergreifende Enquête-Kommission des Bundestages „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ eingesetzt. Sie sollte in fünf Projektgruppen den Stellenwert von Wachstum in Wirtschaft und Gesellschaft ermitteln, einen ganzheitlichen Wohlstands- und Fortschrittsindikator entwickeln, der das BIP ablösen könnte, und die Möglichkeiten und Grenzen der Entkopplung von Wachstum, Ressourcenverbrauch und technischem Fortschritt ausloten.

Das war keine leichte Aufgabe, und sie wurde nur in einem Teilbereich wirklich erfüllt: Eine Projektgruppe der Kommission hat einen neuen Wohlstandsindikator erarbeitet. Er bemisst Wohlstand an der Lebensqualität aller Menschen und dem Zustand unserer Umwelt, indem er u.a. den ökologischen Fußabdruck als Maß für den Ressourcenverbrauch mit einbezieht.

Wir GRÜNE wollen dabei nicht stehen bleiben, denn die Frage nach der Bedeutung des Wirtschaftswachstums stellt sich auch langfristig. Wenn das Wachstum ausbleibt, drohen gesellschaftliche Verteilungskonflikte. Rezessionen lassen die Arbeitslosigkeit ansteigen, üben Druck auf die Sozialsysteme aus und führen zu einer höheren Staatsverschuldung. Wir müssen uns vor diesem Hintergrund die Frage stellen, wie wir mit stetig sinkenden Wachstumsraten umgehen, wie sie in der industrialisierten Welt seit Jahrzehnten erzielt werden. Wir GRÜNE wollen die Wachstumsabhängigkeit unserer Wirtschaft langfristig reduzieren. Die Diskussion um die richtigen Mittel dazu wurde von uns bereits in der Enquête angestoßen und sollte im parlamentarischen Raum in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft und den Kräften der Zivilgesellschaft weitergeführt werden.

Links zum Thema:

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TTIP: Große Auswirkungen – kaum öffentliche Wahrnehmung http://www.peter-meiwald.de/ttip-grosse-auswirkungen-kaum-oeffentliche-wahrnehmung/ http://www.peter-meiwald.de/ttip-grosse-auswirkungen-kaum-oeffentliche-wahrnehmung/#respond Wed, 10 Jul 2013 15:50:56 +0000 http://www.peter-meiwald.de/?p=934 ]]> Mensch vor Bank.

Quelle: © Edzard Piltz

Wir GRÜNEN haben zu dem geplanten TTIP-Abkommen (= transatlantisches Freihandelsabkommen, engl. Transatlantic Trade and Investment Partnership) der EU mit den USA eine sehr kritische Position, obwohl wir natürlich nicht grundsätzlich gegen eine Verbesserung der Beziehungen sind (angesichts der PRISM-Aktivitäten könnte man allerdings aktuell auch das noch einmal in Frage stellen).

  • Wir stehen den Verhandlungen nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Dennoch sehen wir die derzeitige Entwicklung kritisch, da die EU nach dem Scheitern der Doha-Runde zunehmend versucht, bilaterale Handels- und Investitionsabkommen zu schließen, statt auch weiterhin am Ansatz einer multilateralen Handelsordnung festzuhalten.
  • Wir warnen vor unrealistischen Erwartungen hinsichtlich des Zeitrahmens, der für diese komplizierten Verhandlungen nötig ist. Grundsätzlich gilt für uns: Sorgfalt vor Schnelligkeit.
  • Existierende europäische Sozial- und Umweltstandards dürfen nicht zur Disposition gestellt werden. In den Verhandlungen muss deutlich gemacht werden, dass geltende EU-Regelungen insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Lebensmittelsicherheit, Tierhaltung und Umwelt nicht verhandelbar sind. So sind beispielsweise gentechnisch manipulierte Lebensmittel, Hormonzusätze in Futtermitteln oder Chlordesinfizierung von Geflügel in den USA üblich. Damit diese Produkte nicht auf den europäischen Markt gelangen können, sollte der Agrarsektor bei den Verhandlungen ausgeklammert werden.
  • In den Verhandlungen sollte darauf geachtet werden, dass grundlegende EU-Prinzipien nicht unterminiert werden. Es muss insbesondere das Vorsorgeprinzip der europäischen Gesundheits- und Umweltpolitik erhalten bleiben. Aber auch das Recht auf Datensicherheit oder das Subsidaritätsprinzip der EU müssen Geltung behalten.
  • Die Verhandlungen müssen transparent und unter Einbeziehung wichtiger Stakeholder geführt werden. Die Zivilgesellschaft, das Europäische Parlament, der US-Kongress, die nationalen Parlamente sollten rechtzeitig in die Verhandlungen miteinbezogen werden.
  • Das Abkommen dürfte auch für andere Länder wie zum Beispiel Kanada, Mexiko, Chile, die Türkei oder für die Staaten in Nordafrika erhebliche Auswirkungen haben. Es sollte sichergestellt werden, dass Vertreter betroffener Länder in die Verhandlungen angemessen mit einbezogen werden.

Die GRÜNEN Fraktionen auf Länder- (NRW), Bundestags- und Europaparlamentsebene haben mit differenzierten Anträgen versucht, den aktuellen Prozess im Sinne der politischen Ziele von Verbraucherschutz und Sicherung von Sozial- und Ökostandards zu verändern.

Im Landtag NRW ist der Antrag der GRÜNEN und der SPD („Freihandelsabkommen EU-USA: Audiovisuelle Dienste und Kultur vor Handelsliberalisierung schützen! Bundesregierung ist in der Pflicht grundlegende Länderinteressen zu berücksichtigen!“, PDF, 132 KB) am 16. Mai mit den Stimmen der Piratenfraktion leicht modifiziert angenommen worden.

Im Bundestag hatte die GRÜNE Fraktion zur Sitzung am 14. Juni zwei Anträge eingebracht:

Frithjof Schmidt hat diese Anträge im Bundestag begründet: „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (bitte etwas nach unten scrollen). Das Sitzungsprotokoll des Bundestages finden Sie hier:  Plenarprotokoll 247.Sitzung (PDF, 2,54 MB, ab Seite 31757).

Leider ist dieser aus meiner Sicht sehr gute und plausible Antrag von CDU, FDP und LINKEN abgelehnt worden, so dass er im Parlament keine Mehrheit gefunden hat.

Der Europaparlament-Antrag „Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Verhandlungen der EU mit den Vereinigten Staaten von Amerika über ein Handels- und Investitionsabkommen“ (PDF, 168 KB) ist als hinfällig nicht mehr abgestimmt worden, nachdem ein anderer Antrag „Verhandlungen der EU mit den USA über ein Handels- und Investitionsabkommen“ beschlossen wurde, in dem auch einige der Elemente des GRÜNEN Antrags enthalten sind.

Insgesamt ist festzuhalten, dass uns hier für die Sicherung der uns lieb und wichtig gewordenen Rechts-Standards durch das geplante Freihandelsabkommen einiges an Ungemach droht (die Regelungen der WTO, die ja noch nicht ganz so weit gehen, aber ähnliche Mechanismen haben, sollten uns Warnung genug sein).

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