Sitzungswoche 12. – 16.12.2016
Immer noch beschwingt vom hochverdienten Auswärtssieg von Bremen gegen Hertha startete ich in die letzte Sitzungswoche des Jahres.
Am Montagmorgen machte ich nach der Bürobesprechung zunächst einen kurzen Abstecher in die Französische Friedrichstadtkirche, wo die Sachverständigen des Landwirtschaftsministeriums ihre Empfehlungen zum Klimaschutz in diesem Sektor präsentierten. Neben einem wie immer inspirierenden Vortrag von Professor Klaus Töpfer gab es auch klare Ansagen zur Notwendigkeit einer Umkehr in der Land- und Forstwirtschaft, die den Klimaschutz bei Bodennutzung, Moorschutz und Energieinput endlich weltweit in den Fokus stellen muss.
In der AG „Globale Entwicklung“ waren Clemens Schwanhold und Anke Scheid vom Dachverband der entwicklungspolitischen und humanitären Nichtregierungsorganisationen VENRO zu Gast. Sie informierten uns über ihre Erwartungen an die Programme der Bundestagswahl, den G20-Gipfel, der im Juli in Hamburg stattfinden wird, und die aktuellen Herausforderungen der Entwicklungspolitik aus Sicht der Zivilgesellschaft.
Der Dienstag startete dann mit einer Sonder-Fraktionssitzung, in die der Präsidentschaftskandidat der Linken, Christoph Butterwegge, eingeladen war, sich uns vorzustellen. Er sprach insbesondere im Sozialbereich wichtige Themen zum Zusammenhalt in unserer Gesellschaft an, auch wenn er mit seiner Art nicht alle gleich begeistern konnte. Gut, dass es im Februar wenigstens eine Wahl geben wird, auch wenn es wirklich enttäuschend ist, dass sich keine grüne Kandidatin für dieses Amt gefunden hat.
Nach den üblichen Arbeitsgremien des Dienstagvormittags beteiligte ich mich mittags zusammen mit vielen Kolleg*innen vom parteiübergreifenden Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ an einer kleinen öffentlichen Aktion auf den Stufen des Reichstagsgebäudes, um auf die Situation von bedrohten Abgeordneten weltweit aufmerksam zu machen. Insbesondere die Situation der oppositionellen HDP-Politiker*innen in der Türkei spitzt sich in den letzten Monaten und Wochen immer weiter zu. Bei der Fotoaktion vor dem Reichstagsgebäude hielt ich ein Foto des türkischen HDP-Abgeordneten Osman Baydemir, für den ich gemeinsam mit Karamba Diaby (SPD) und Frank Heinrich (CDU) die Patenschaft übernommen habe. Ich will meine Funktion als Mitglied des Deutschen Bundestags nutzen, um Herrn Baydemir in seinem Engagement als Parlamentarier zu unterstützen und vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen.
In der regulären Fraktionssitzung war dann der andere ernstzunehmende Präsidentschaftskandidat, der von der Großen Koalition nominierte Frank-Walter Steinmeier zu seiner Vorstellung zu Gast. Ich kenne ihn ja schon aus dem Parlament und von einer gemeinsamen Reise nach Südafrika und schätze ihn als Menschen – und insbesondere seine besonnene Art, mit den aktuellen außenpolitischen Krisen von der Ukraine bis nach Syrien umzugehen. Allerdings hat mich auf der anderen Seite seine Distanzierung vom Engagement des Bundestages zum Völkermord an den Armeniern enttäuscht.
Am Dienstagabend besuchte ich dann die Verleihung des Deutschen Bürgerpreises, mit dem ehrenamtliches Engagement in Deutschland ausgezeichnet wird. Besonders gefreut hat mich, dass ein Projekt aus meinem Wahlkreis den zweiten Platz in der Kategorie der „Unter-21-Jährigen“ gewonnen hat. Die Webseite „da-sein.de“ des Ambulanten (Kinder-)Hospizdienstes Oldenburg bietet trauernden jungen Menschen Begleitung und Austausch. Unter dem Motto „Schreiben statt Schweigen“ stehen geschulte Gleichaltrige als Ansprechpartner zur Verfügung. Ein mutiges, bewundernswertes Projekt!
Die Entscheidung von Hans-Christian Ströbele, im nächsten Jahr nicht wieder für den Bundestag zu kandidieren, fand ich sehr schade. Persönlich kann ich es aber gut nachvollziehen, dass das Urgestein der Kreuzberger Grünen mit 77 in den wohlverdienten Ruhestand gehen will.
Im Umweltausschuss am Mittwochmorgen warb ich für unseren grünen Antrag zum besseren Schutz vor „endokrinen Disruptoren“. Das sind Chemikalien, die im Körper wie Hormone wirken und in zahlreichen Alltagsprodukten vorkommen. Die EU-Kommission will den Vorsorgegrundsatz bei diesen Stoffen aufweichen. Obwohl die große Koalition zugab, dies durchaus auch mit Sorge zu sehen, lehnte sie unseren Antrag ab.
Halbherzig zeigten sich CDU und SPD auch bei der Novelle der Gewerbeabfallverordnung. Eine Überarbeitung war dringend nötig, die GroKo schreckte aber vor ambitionierten Recyclingquoten für Gewerbeabfälle zurück. Daher habe ich einen entsprechenden Entschließungsantrag gestellt, der von der Regierungskoalition ebenfalls abgelehnt wurde.
Die GroKo verweigert zudem den Gesundheitsschutz vor Feinstaub aus Baumaschinen und lehnte unseren Grünen Antrag dazu am Donnerstag im Plenum ab.
Auf der Sitzung des Ausschusses „Rohstoffsicherung, Umweltschutz, Folgenutzung“ des Bundesverbands Mineralische Rohstoffe stellte ich am Mittwochnachmittag die Sichtweise der Grünen Bundestagsfraktion zum Thema „Ressourceneffizienz“ vor. Diese Unternehmen sind vor allem im Bau- und Infrastruktursektor tätig – und da gab es viel Gesprächsbedarf zum Thema „Grenzen des Wachstums“, nachdem ich meinen Input mit deutlichen Hinweisen zum Earth Overshoot Day eingeleitet hatte. Auch wenn wir an vielen Punkten unterschiedliche Positionen haben, finde ich es aber gut, dass auch in diesen – uns Grünen eher fernen – Kreisen die Auseinandersetzung mit unseren Themen und Positionen gesucht wird.
Anschließend hatten wir noch ein Berichterstattergespräch des Petitionsausschusses, in dem es mit einem Vertreter des Verkehrsministeriums darum ging, wie zukünftig mit Folgekosten von Lärmschutzeinrichtungen, also zum Beispiel mit dem verschleißbedingten Austausch von Lärmschutzfenstern oder den Stromverbrauchskosten von Lüftern umgegangen werden soll – oder ob die Betroffenen auf diesen Kosten alleine sitzen bleiben werden. Ein spannendes Thema, das uns im Petitionsausschuss, aber wohl auch im für Lärmschutz zuständigen Umweltausschuss noch beschäftigen wird.
Am Donnerstag standen im Plenum eine Reihe namentlicher Abstimmungen an. Morgens ging es um die Frage, wie mit den strahlenden Hinterlassenschaften der Atomkraft umgegangen werden soll. Wir haben uns durchgesetzt und lassen Atomkonzerne nicht aus ihrer Verantwortung. Das neue „Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung“ stellt sicher, dass die Atomkonzerne für die Beseitigung des hochgefährlichen Atommülls zahlen, solange sie noch Geld haben. Da aber immer noch nicht alle Klagen der Atomkonzerne gegen unser Land zurückgezogen wurden und damit der Rechtsfrieden, der aus meiner Sicht die Grundlage eines solchen Vertrages darstellt, noch nicht da ist, habe ich mich bei der Abstimmung mit einigen anderen zusammen enthalten.
Nachmittags ging es in der Debatte um die Fortsetzung des Afghanistan-Einsatzes heiß her. Vollkommen absurd ist, dass am Tag zuvor 34 Afghanen mit einem Sammelcharter nach Kabul abgeschoben wurden, darunter womöglich Kranke oder Angehörigen von Minderheiten. Rechtfertigung: es gibt sichere Ecken im Land. Und nur einen Tag später beschließt die Große Koalition eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Begründung: das Land lebt in großer Bedrohung und Unsicherheit. Ich habe dagegen gestimmt.
Dagegen habe ich den beiden Blauhelmeinsätzen im Südsudan und in Darfur zugestimmt, auch wenn mir – wie eigentlich allen im Hohen Haus – bewusst ist, dass diese Einsätze angesichts der katastrophalen Lage in den beiden Ländern nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein können. Hier ist ein viel umfassenderes Engagement der internationalen Gemeinschaft nötig – und auch ein konsequenterer Umgang mit dem vor dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagten sudanesischen Präsidenten Al-Bashir.
Der traditionelle Fraktions-Weihnachtspunsch im Innenhof des Jakob-Kaiser-Hauses, zu dem Kathrin und Toni die ganze Fraktion eingeladen hatten, ist diesmal dann leider an mir vorüber gegangen, denn ich musste im Plenum reden. Insgesamt standen für Donnerstagabend vier Reden in meinem Terminkalender. Zwei Reden zu Anträgen der Koalition wurden aufgrund der späten Stunde allerdings zu Protokoll gegeben (zu den Themen Kreislaufwirtschaft und Gewerbeabfallverordnung). Zwei habe ich selbst noch gehalten: zu unserem Grünen Antrag zu „Geierfonds“ und dem Antrag der Linken zur Verlängerung der Lebensdauer von Produkten.
Hier könnt ihr sie euch anschauen:
Gemütlich klang der lange Abend dann beim Team-Weihnachtsessen in einem Kreuzberger Lokal aus, wo meine Mitarbeiter*innen aus Oldenburg und Berlin schon auf mich warteten.
Der letzte Sitzungstag vor der Weihnachtspause ist traditionell eigentlich von der Suche nach harmonie geprägt. Nicht so in diesem Jahr. Die beiden letzten Debattenpunkte am Freitagnachmittag zum Schutz von Flüchtlingen aus Afghanistan und zur Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft sind emotional ziemlich eskaliert und deutlich vor Augen geführt, dass Schwarz-Grün mit dieser Union keine Option sein kann.
Die völlig sinnlose Doppelpass-Debatte der CDU/CSU, die die CDU auf ihrem Bundesparteitag wieder aufgewärmt hat, hat zu peinlich berührten Minen selbst in den eigenen Reihen der Union geführt. Mit einem modernen Staatsangehörigkeitsrecht hat der Rechtsruck der CDU nichts zu tun. Hier geht es um reine Symbolpolitik, denn etliche Studien belegen, dass die doppelte Staatsangehörigkeit kein Integrationshemmnis ist.
Es lohnt sich, die Debatten einmal anzuschauen, um selbst einzuschätzen, wie christlich die „Christlich Demokratische Union“ wirklich ist. Aber Achtung: Die Weihnachtsstimmung kann einem dabei abhanden kommen.
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