Heidewitzka, da war ja was los: Weit mehr als 100 Gäste im Friedrich-Hempen-Haus in Bad Zwischenahn-Ofen haben bewiesen, dass dieses Thema in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.
Eingeladen hatte ich gemeinsam mit den Ärzten gegen Massentierhaltung e.V., dem BUND, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), dem ökumenischen Zentrum Oldenburg (ÖZO) und dem Verband Entwicklungspolitik Niedersachsen (VEN) zu einem Informationsaustausch über das drohende antibiotische Zeitalter.
Die Video-Aufzeichnung des Gesprächs mit den Teilnehmern des Podium vorweg sehen Sie hier.
Im Publikum waren interessierte Verbraucher_innen jeden Alters, Landwirte und einige Ärzt_innen gespannt wie Bolle. Denn: Industrielle Tierhaltung funktioniert nicht ohne den Einsatz von Antibiotika. Doch die Erreger passen sich an und bedrohen längst auch die menschliche Gesundheit. Weil die Gefahr von Antibiotika-Resistenzen eben auch aus den Ställen droht, stellt sich zu Recht die Frage: „Tierhaltung – eine Frage der Haltung. Droht das postantibiotische Zeitalter?“
Ärzte und Pflegepersonal in Praxen und Kliniken führen einen oft aussichtslosen Kampf gegen Infektionen mit antibiotikaresistenten Erregern. Das Auftreten von MRSA hat sich seit 1992 verzehnfacht. Vorsichtige Schätzungen sprechen von 132.000 MRSA-Nachweisen jährlich in Deutschland und etwa 30.000 Todesfällen durch MRSA und andere Erreger, die mit den vorhandenen Antibiotika nicht mehr zu bekämpfen sind bzw. Klinikbehandlungen extrem verteuern.Dr. Imke Lührs, Rheumatologin aus Bremen und Mitglied der Initiative Ärzte gegen Massentierhaltung, stellte uns das Thema in einem überaus anschaulichen Referat vor. Sie forderte u.a. einen sinnvollen Einsatz von Antibiotika in der Human- und Tiermedizin, ein Verbot des Einsatzes von Reserveantibiotika in der Tierhaltung und die Einführung einer Meldepflicht bei Feststellung antibiotikaresistenter Keime.
Dass wir dieses Thema zum richtigen Zeitpunkt aufgegriffen hatten belegt auch die Zusage des Präsidenten der Landwirtschaftskammer Niedersachsen für diesen Abend. Gerhard Schwetje, selber konventionell wirtschaftender Landwirt, verwies auf das Bundesamt für Risikoforschung, das den Landwirten exakt an die Hand gebe, wie viel Antibiotika sie ihren Tieren verabreichen würden. Ein weiterer Aspekt der intensiven Tierhaltung sei, dass sie sich dem Weltmarkt stellen müsse. Oha!
Dem widersprach logischerweise Ottmar Ilchmann, Landesvorsitzender der AbL, weil in Ställen mit mehreren tausend Tieren, insbesondere in der Geflügel- und Schweinehaltung, alle Tiere metaphylaktisch mit Antibiotika versorgt werden müssten, wenn einige wenige Tiere in der eng zusammenlebenden Herde erkrankt seien. Deswegen müssten die Haltungsbedingungen geändert werden. Eine Verringerung der Tierbesatzdichten, Auslauf der Tiere im Freien und eine Rückkehr zur Erzeugung der Futtermittel auf dem eigenen Hof, würden diesem Problem entgegenwirken.
Der vierte Gast dieses Abends war Stig Tanzmann von Brot für die Welt. Stig appellierte an das Verantwortungsbewusstsein der Pharmaindustrie, den Missbrauch von Antibiotika im Stall nicht weiter auf die Spitze zu treiben. Schließlich sei das Thema ein globales Gesundheitsthema. Zwar stürben auch in Deutschland immer mehr Menschen an Infektionen mit resistenten Keimen, doch in den sogenannten Entwicklungsländern könne sich kaum jemand ein Antibiotikum leisten.
Mehr Geld für die Forschung, um auch zukünftig mit wirksamen Antibiotika Menschen schützen zu können, dieser Forderung von Stig schloss ich mich an. Auch muss dringendst dafür gesorgt werden, dass noch wirksame Antibiotika den Menschen zur Verfügung stehen und eben nicht zur Lösung der Probleme der industriellen Tierhaltung gebraucht werden. Wir GRÜNEN fordern in diesem Zusammenhang eine Änderung des Dispensierrechtes der Tierärzte, so dass diese nicht mehr selbst an den von ihnen verordneten Antibiotika finanziell profitieren. Doch auch die Systemfrage nach der Zukunft der Landwirtschaft gerade in unserer Region muss gestellt werden.
Dies war auch Tenor der Diskussion mit dem Publikum, in dem viele Landwirte vertreten waren. Ein Weiter-So werde die bestehenden Probleme mit Antibiotika-Resistenzen ebenso verschärfen wie den bröckelnden Rückhalt der Bauern in der Bevölkerung und die Tendenz zum Höfesterben. Einig waren wir uns auf dem Podium, dass dazu der Dialog mit den konventionellen Landwirten wie mit den Biobauern zugunsten einer urenkeltauglichen Landwirtschaft dringend verstärkt werden müsse.
Ich bin sehr gespannt darauf, was sich ändern wird und wie schnell sich Fragen der Tierhaltung beantworten lassen. Sehr zufrieden bin ich damit, dass das Thema dieses Abends von sechs zivilgesellschaftlichen Institutionen richtig gewählt war. Das lässt mich hoffen.
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