Was wollen wir essen? – Ethik und Verantwortung in der Lebensmittelerzeugung

Am Samstag, dem 25.05.2013, moderierte ich eine Podiumsdiskussion zum Thema „Was wollen wir essen? – Ethik und Verantwortung in der Lebensmittelerzeugung“. Die Veranstaltung fand auf Einladung der Ammerländer GRÜNEN in der Genossenschaftsakademie in Rastede statt. Etwa 70 Gäste hörten den Podiumsgästen zu und beteiligten sich an der Diskussion.

Das Podium wurde gebildet von:

  • Christian Meyer, dem niedersächsischen Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister,
  • Kristine Ambrosy-Schütze, der Beauftragten für Umwelt, Klimaschutz und Energie der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg,
  • Bernd Kleyboldt, dem Dozenten für nachhaltige Entwicklung bei der Katholischen Akademie Stapelfeld, und
  • Thorsten Cordes, dem Geschäftsführer des Landvolks Ammerland und Friesische Wehde e.V.
Podium: Was wollen wir essen?

Von links nach rechts: Thorsten Cordes, Kristine Ambrosy-Schütze, Christian Meyer, Bernd Kleyboldt, Peter Meiwald

Anlass für die Diskussionsveranstaltung war die kritische Auseinandersetzung der ev.-luth. Landeskirche mit den Auswüchsen industrieller Landwirtschaft, insbesondere der Massentierhaltung, und der Verantwortung der VerbraucherInnen, von der im Frühjahr in den Medien ausführlich berichtet wurde.

Bernd Kleyboldt wies darauf hin, dass Verbrauchersouveränität nur möglich sei, wenn korrekte und umfassende Informationen zu den gewünschten Lebensmitteln vorhanden und zugänglich seien.

Thorsten Cordes erklärte, in der Landwirtschaft müssten Ökonomie und Ökologie zusammen gedacht werden. Zusätzlich werde von Seiten der Landwirtschaft der Gedanke der Nachhaltigkeit aufgegriffen, wie z.B. das Blühstreifenprogramm zeige.

Kristine Ambrosy-Schütze beschrieb das Pilotprojekt „Zukunft einkaufen“ des Kirchenkreises Wilhelmshaven-Friesland. Mit diesem Projekt hinterfrage sich Kirche als Konsument und mache sich beispielhaft für viele Organisationen auf den Weg, ihre Beschaffung umweltverträglich und fair auszurichten. Ziel sei es, Vorgaben auch für andere Organisationen zu entwickeln und zu zeigen, welche regionalen Chancen vorhanden sind.

„Politik muss den Rahmen geben, um Wahlfreiheit zu ermöglichen“, ergänzte Minister Christian Meyer. Skandale – egal, ob es um Pferdefleisch in der Lasagne, Dioxin in der Milch oder falsch ausgezeichnete Bio-Eier ginge – fielen immer auch auf die ehrlichen Landwirte zurück und seien Betrug am Verbraucher, führte er aus. „Wir brauchen eine klare, einfache Kennzeichnung für alle Lebensmittel, wie es bei losen Eiern bereits vorgeschrieben ist.“ Eine Untersuchung in Großbritannien habe gezeigt, dass aufgrund der dort bereits eingeführten Ernährungsampel VerbraucherInnen anders einkauften und große Unternehmen anders produzierten.

Das Einkaufsverhalten habe aber nicht nur eine ernährungsphysiologische und eine ökologische, sondern auch eine soziale Dimension. So seien bessere Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft unbedingt notwendig, dazu gehöre dringend ein gesetzlicher Mindestlohn in den Schlachthöfen.

Niedersachsen sei vor Kurzem dem Netzwerk gentechnikfreier Regionen beigetreten, fügte Christian Meyer noch hinzu, und die finanzielle Förderung der ökologischen Landwirtschaft in Niedersachsen sei erhöht worden. Für die nächste Förderperiode von 2014-2020 werde die Erhöhung der Förderung für Weidehaltung genauso geprüft wie die stärkere Förderung der ersten 30-50 ha und damit der kleinen und mittleren, also bäuerlichen Betriebe.

Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde deutlich, dass die Realität in der Landwirtschaft und die Ernährung an sich sehr viel stärker thematisiert werden müssen, um die Wertigkeit der Lebensmittel bewusster zu machen. So wies Thorsten Cordes darauf hin, dass zu wenige danach fragten, warum der Preis für ein verarbeitetes Produkt, z.B. ein Fertiggericht, so viel niedriger sei als die Summe der dafür nötigen Einzelzutaten. „So kann weder Qualität noch Wirtschaftlichkeit funktionieren“, ergänzte er.

Zusätzlich wurde schnell klar, dass die Frage nach Ethik und Verantwortung und damit die Nachhaltigkeitsdebatte die Lebensumstände insgesamt und den Lebensstil betreffen. So wurden während der Diskussion auch die Themen Mobilität, erneuerbare Energien, Biodiversität, Bildung und Postwachstum angesprochen.

Zum Abschluss wies Thorsten Cordes darauf hin, dass in Deutschland 11 Millionen Tonnen Lebensmittel weniger produziert werden müssten, wenn nicht eben diese Menge jedes Jahr im Müll lande.

Bernd Kleyboldt machte deutlich, es sei wichtig, wieder ein Bewusstsein für die Zusammenhänge zu entwickeln, Handeln, Tun und Denken wieder mehr miteinander in Verbindung zu bringen. Kristine Ambrosy-Schütze erinnerte an den christlichen Auftrag, die Schöpfung zu bewahren. Christian Meyer fügte hinzu: „Die gesellschaftliche Stimmung ist reif für eine Agrarwende.“ Langfristig müsse erreicht werden, dass die Lebensmittelerzeugung weder zu Lasten zukünftiger Generationen, noch zu Lasten der Umwelt, der Biodiversität, der Gewässer- und der Bodenqualität erfolge.

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