Armenien-Resolution: Wir lassen uns nicht vorschreiben, was wir beschließen

Kleine Gedenkstunde am Donnerstag der armenischen Opferverbände sowie AnerkennungJetzt und SaveOurSouls vor dem Brandenburger Tor.

Kleine Gedenkstunde am Donnerstag der armenischen Opferverbände sowie AnerkennungJetzt und SaveOurSouls vor dem Brandenburger Tor.

Trotz massiver Kritik und versuchter Einflussnahme auf die Bundestagsabgeordneten hat der Bundestag am Mittwoch mit überwältigender Mehrheit bei nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung die Armenien-Resolution verabschiedet. Darin wird die Ermordung von bis zu 1,5 Millionen Armeniern während des Ersten Weltkrieges als Völkermord bezeichnet. Die politische Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern, Assyrern, Aramäern und Pontus-Griechen ebenso wie das klare Bekenntnis des Deutschen Bundestags zur historischen Mitverantwortung Deutschlands als wichtigstem Bündnispartner des damaligen Jungtürkischen Regimes zur Zeit des Ersten Weltkrieges ist mehr als 100 Jahre später dringendst überfällig, finde ich.

Wer Völkermord leugnet, macht sich ein weiteres Mal an den Opfern schuldig. Nur eine Anerkennung der historischen Schuld bietet die notwendige Basis für Versöhnung und Frieden, das wissen gerade wir Deutschen aus unserer Holocaust-Erfahrung sehr genau. Und genau deshalb beschäftigen wir uns im Bundestag auch mit dem ersten Völkermord des vergangenen Jahrhunderts, dem des Deutschen Reiches an den Herero und Nama im heutigen Namibia. Das ist mir gerade in meiner Rolle als Koordinator des fraktionsübergreifenden Parlamentariernetzwerkes zur Genozidprävention besonders wichtig.

Als frei gewählte Abgeordnete des deutschen Parlamentes dürfen wir uns auch von der Regierung eines NATO-Partners keinesfalls vorschreiben lassen, worüber wir beschließen oder welche Wortwahl wir nutzen. Eine Einmischung von Seiten Präsident Erdogans und seiner Regierung ist völlig unangemessen. Auch die Behauptung der türkischen Seite, die Bundestagsentscheidung würde den Versöhnungsprozess zwischen der Türkei und Armenien stören, ist reine Propaganda. Seit Jahren gebe es keinen aktiven Versöhnungsprozess zwischen beiden Ländern mehr, der gestört werden könnte.

Ein großes Monument erinnert in Armenien an den Völkermord 1915.

Ein großes Monument erinnert in Armenien an den Völkermord 1915.

Viele Abgeordnete – auch ich – bekamen Mails mit der Aufforderung, der Resolution nicht zuzustimmen, einige Kollegen erhielten gar Drohungen, um sie so einzuschüchtern und der Resolution nicht zuzustimmen. Noch am Dienstag zog eine türkisch-nationalistische Demonstration durch das Regierungsviertel. Das irritierte mich schon. Denn als jemand, der auch mal im Ausland gelebt hat, fehlt mir komplett die Phantasie, mir vorzustellen, in einem Gastland mit Deutschlandfahnen in der Hand zu demonstrieren, um dem Parlament meines Gastlandes vorzuschreiben, wofür es zuständig ist. In seiner Demokratiefeindlichkeit ist hier der Nationalismus türkischer Gruppen wie der faschistischen Grauen Wölfe, des „Boxclubs“ Osmanen Germania oder der Rocker von Guerilla Nation, die gestern in allerdings nur sehr überschaubarer Zahl vor dem Brandenburger Tor demonstrierten, aus dem gleichen Geist wie Dresdens Pegida.

Auf Einladung Armeniens waren ReligionsvertreterInnen, NGOs und Politikerinnen - darunter auch ich - zur einer Konferenz in Jerewan im April 2015 eingeladen.

Auf Einladung Armeniens waren ReligionsvertreterInnen, NGOs und Politikerinnen – darunter auch ich – zur einer Konferenz in Jerewan im April 2015 eingeladen.

Den heute im Anschluss an die Bundestagsentscheidung angekündigten Rückruf des türkischen Botschafters aus Deutschland bedaure ich, weil sie Ausdruck dessen ist, dass die Regierung der Türkei offenbar noch nicht bereit sei, die ausgestreckte Hand zur gemeinsamen Überwindung der historischen Katastrophe und ihrer Folgen zu ergreifen.

Hier der direkte Link zur fraktionsübergreifenden Resolution des Deutschen Bundestages: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/086/1808613.pdf

 

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