22 Jahre nach dem Genozid in Rwanda

Flagge Rwanda

Flagge Rwanda

April 2016 – ein Reisebericht

Im Frühjahr töteten Hutu-Milizen 800.000 Menschen im Beisein von UN-Beobachtern, die meisten von ihnen Tutsi. 2.500 Blauhelm-Soldaten der Vereinten Nationen waren damals in Rwanda stationiert, ohne dass sie den Völkermord verhinderten. Die Weltgemeinschaft sah weg.

22 Jahre danach habe ich den Deutschen Bundestag bei den Genozid-Gedenkfeierlichkeiten vertreten. Hier nun mein Reisebericht über die Begegnungen in diesen Tagen, die ich hatte.

Dienstag, den 5. April 2016

Nach einem unspektakulären Flug bin ich pünktlich in Rwandas Hauptstadt Kigali angekommen. Von der Referentin für Politik und Wirtschaft an der deutschen Botschaft, Leonie Schröter, wurde ich abgeholt und dann ging es nach kurzem Einchecken im IRIS GUEST HOUSE gleich in ein zweieinhalbstündiges Briefing mit Botschafter Peter Fahrenholtz, um zunächst einen Überblick über das anstehende Programm und die Einschätzung zur aktuellen Lage in Rwanda zu bekommen. Die aktuelle Lage in Rwanda ist bei allen erkennbaren Herausforderungen grundsätzlich durch Fortschritte in vielen Lebensbereichen gekennzeichnet, die aber sowohl ökonomisch als auch politisch auf immer noch fragiler Basis stehen. Und die Situation im Nachbarland Burundi ist nicht nur für die Menschen in Burundi, sondern auch für Rwanda ein zusätzlicher Verunsicherungsfaktor.

Mittwoch, den 6. April 2016

Dieser Tag war geprägt von diversen politischen Gesprächen, beginnend mit dem Präsidenten der rwandischen Versöhnungskommission.

Treffen mit Bishop John Rucyahana (Präsident der National Unity and Reconciliation Commission)

Treffen mit Bishop John Rucyahana (Präsident der National Unity and Reconciliation Commission)

Treffen mit Bishop John Rucyahana (Präsident der National Unity and Reconciliation Commission), li. Botschafter Peter Fahrenholtz. 

Das Gespräch mit Bischof Rucyahana, dem Präsidenten der rwandischen Versöhnungskommission, war sehr vertrauensvoll und konkret bezüglich der enormen Herausforderungen, vor denen die noch junge Demokratie Rwandas 22 Jahre nach dem verheerenden Völkermord stand und weiterhin steht.

Nicht nur geht es darum, den seit der Kolonialzeit konstruierten pseudo-ethnischen Konflikt innerhalb der Gesellschaft zu überwinden und an einer gemeinsamen Zukunft aller Rwander*innen zu arbeiten. Revisionisten und Völkermordleugner, die es in geringerer Zahl auch weiterhin im Land gibt, vor allem aber im Exil im Kongo und auch in europäischen Ländern, machen diesen Prozess nicht leicht. Mit sehr viel Interesse und Anerkennung wurde in diesem Zusammenhang verfolgt, wie die deutsche Justiz mit FDLR-Hintermännern in Deutschland verfahren ist. Ähnliches Engagement werde insbesondere von Frankreich schmerzlich vermisst.

Die NURC selber habe in den Jahren viele Versöhnungsinitiativen und –projekte anstoßen können, leide aber wie viele andere Institutionen auch an chronischer Unterfinanzierung, um auf alle Bedürfnisse adäquat eingehen zu können. Für die Zukunft sehe man ein sinnvolles Betätigungsfeld auch in einem Auf- und Ausbau stärkerer Süd-Süd-Kooperation in der Versöhnungs- und Post-Konfliktarbeit, z.B. mit Ländern wie der Zentralafrikanischen Republik, dem Süd-Sudan oder Somalia.

Arbeitsessen mit Dr. Frank Habineza, Vorsitzender der Demokratischen Grünen Partei (DGPR) in Rwanda

Arbeitsessen mit Dr. Frank Habineza, Vorsitzender der Demokratischen Grünen Partei (DGPR) in Rwanda

Arbeitsessen mit Dr. Frank Habineza, Vorsitzender der Demokratischen Grünen Partei (DGPR) in Rwanda. Mit dabei Botschafter Peter Fahrenholtz.

Wesentliches Thema des Gespräches mit Dr. Frank Habineza, dem Vorsitzenden der einzigen in Rwanda registrierten nicht im Parlament vertretenen Oppositionspartei, war die aktuelle politische Situation, insbesondere die Entwicklung von Demokratie und Freiheitsrechten.

Grundsätzlich sei die Möglichkeit politisch-oppositioneller Arbeit in Rwanda seit der Anerkennung der Partei im Herbst 2013 besser geworden. Die DGPR sei dabei, ihre Strukturen im ganzen Land aufzubauen und werde dabei von Regierung und Staat akzeptiert und auch öffentlich stark wahrgenommen. Aufgrund des rwandischen Parteienrechtes, das die Parteienfinanzierung durch Unternehmen und aus dem Ausland nicht zulässt, sei es allerdings schwierig, die für die Arbeit notwendigen Mittel aus den Reihen der Mitglieder aufzubringen, zumal viele der Parteikader arbeitslos seien.

Die aktuelle Arbeit sei daneben von der innerparteilichen Debatte geprägt, ob man sich – nach der zwar rechtsstaatlich fair abgearbeiteten, aber letztlich erfolglosen Klage vor dem Obersten Gerichtshof gegen die Verfassungsänderung zur Zulassung einer dritten Kandidatur und Amtszeit des aktuellen Präsidenten Paul Kagame – an den für Herbst 2017 anstehenden Präsidentschaftswahlen mit einem eigenen Kandidaten beteiligen solle. Unter demokratischen Gesichtspunkten wäre es sicherlich wünschenswert, der Bevölkerung eine Alternative zur Wahl anzubieten, auch wenn die Erfolgschancen sehr gering wären. Dem gegenüber stehe natürlich ein erheblicher Aufwand und das Risiko, sich „politisch zu verbrennen“.

Ein weiteres Problem beschäftigt die Partei seit beinahe zwei Jahren: das plötzliche und noch immer nicht aufgeklärte Verschwinden des nationalen Organisationssekretärs der Partei, Jean Damascene Munyeshyaka, im Juli 2014. Trotz intensiver Nachforschungen gibt es dazu bisher kein befriedigendes Aufklärungsergebnis seitens der Polizei. Botschafter Fahrenholtz sicherte zu, sich dieser Frage weiterhin im Rahmen seiner Möglichkeiten anzunehmen.
Zur Stärkung der Arbeit in der jungen Demokratie bekräftigte Dr. Habineza seinen bereits bei vorherigen Treffen kundgetanen Wunsch nach verstärktem internationalen Austausch, z.B. durch die Möglichkeit von Praktika in europäischen Parlamenten oder durch Fortbildungsangebote von politischen Stiftungen in Rwanda.

Treffen mit dem Staatsminister für Transport, Dr. Alexis Nzahabwanimana

Treffen mit dem Staatsminister für Transport, Dr. Alexis Nzahabwanimana

Treffen mit dem Staatsminister für Transport, Dr. Alexis Nzahabwanimana

Staatsminister Nzahabwanimana informierte über die aktuelle Entwicklung beim Ausbau einer funktionierenden Infrastruktur als Grundlage der ökonomischen Entwicklung Rwandas. Der Ausbau eines flächendeckenden Straßennetzes in gutem Zustand ist weit fortgeschritten. Offen ist weiterhin die Frage eines Eisenbahnanschlusses Rwandas an einen der Häfen am Indischen Ozean (Dar es Salaam oder Mombasa). Innerhalb der East African Community gäbe es entsprechende Gespräche. Aufgrund der mit 1.400 km deutlich geringeren Entfernung nach Dar es Salaam gegenüber ca. 1.800 km bis Mombasa präferiere Rwanda den sogenannten Zentralkorridor, d.h. die Fortführung der tanzanischen Eisenbahntrasse von Mwanza über Ruzumo nach Kigali (oder weiter). Nachdem unter dem bisherigen tanzanischen Präsidenten kaum Fortschritte in den Planungen erzielt worden waren, erhofft sich die rwandische Seite nach der Präsidentschaftswahl in Tanzania nun neuen Schub für dieses Mammutprojekt. Deutsches Know-How und Engagement dabei wären sehr willkommen.

Ein weiteres deutsch-rwandisches Thema ist der geplante Ausbau der rwandischen Luftverkehrsaktivitäten. Das Großprojekt eines neuen internationalen Flughafens für Kigali stockt seit vielen Jahren, auch, weil sich kein internationaler Investor für Finanzierung (ca. 600 – 700 Mio. US $), Bau und Betrieb des Airports findet. FraPort war kurz in der Diskussion, ist aber wieder herausgefallen, weil die Gesellschaft nur einen kleinen Eigenanteil für die Finanzierung mitbringen wollte oder konnte. Für mich auch ein Beleg dafür, dass die Wirtschaftlichkeit eines solchen Großprojektes stark zu bezweifeln ist. Die rwandische Regierung überlegt nun, selbst in Vorleistung zu gehen, was ich für äußerst riskant hielte. Weiter fortgeschritten ist dagegen die Expansion der Fluggesellschaft Air Rwanda, die im Herbst mit zwei geleasten Airbussen in den transkontinentalen Flugverkehr einsteigen will. Geplant sind Verbindungen nach Asien und Westeuropa, wobei Deutschland bisher noch nicht avisiert ist.

Treffen mit dem Leiter des Rwanda Governance Board (RGB), Prof. Anastase Shyaka

Mit Prof. Anastase Shyaka

Mit Prof. Anastase Shyaka

Gerade wegen der immer wieder aufkommenden Frage nach einer möglichen Behinderung der Arbeit von NGOs in Rwanda war es mir ein besonderes Anliegen, diese Fragen im direkten Gespräch mit dem Leiter der zuständigen Behörde, dem Rwanda Governance Board, zu besprechen.

Prof. Shyaka präsentierte zunächst den Aufgabenbereich des RGB und stellte das Wachstum der Zivilgesellschaft innerhalb der vergangenen Jahre dar. Hiernach waren 2012 insgesamt 350 Nichtregierungsorganisationen (NRO) registriert – heute seien es insgesamt 2.193 (davon seien 923 Organisationen religiöse Einrichtungen). Zusätzlich seien 173 internationale NRO (INRO) in Rwanda anerkannt und aktiv.

Seit seiner Gründung 2012 diene das RGB als „One-Stop-Center“ zur Registrierung von NROs und politischen Parteien, sei Ansprechpartner für das Thema Medien und für den Dezentralisierungsprozess im Land zuständig. Mit einem Fund for Capacity Building mit regierungsunabhängiger Vergabekommission werde versucht, die zivilgesellschaftlichen Strukturen im Land zu stärken. Über auf allen staatlichen Verwaltungsebenen (national, Provinz, Distrikt) eingerichtete Joint Action Development Foren wird zudem versucht, NRO auch bei der dezentralen Entwicklungsplanung ein Mitspracherecht einzuräumen. Trotzdem bleibt aktuell noch zu konstatieren, dass etwa 75 % der NRO im Großraum Kigalis registriert sind.

Kritik, die Arbeit oder Zulassung von NRO in Rwanda zu erschweren oder zu behindern, gäbe es aktuell im Land nur sehr punktuell. In den seltenen Fällen, in denen einer NRO die Registrierung verweigert würde, stünde dieser der Weg zum Ombudsmann sowie zu den Gerichten des Landes offen.
Auch die Registrierung politischer Parteien erfolgt über das RGB. Dabei sind die Hürden nicht ganz niedrig. Um als Partei anerkannt zu werden, müsse man insgesamt 200 Unterschriften beibringen, davon mindestens fünf aus jedem der 30 Distrikte des Landes, um Regionalismus und Tribalismus vorzubeugen.

Donnerstag, den 7. April 2016 (Feiertag)

Teilnahme an der offiziellen Genozid-Gedenkfeier im nationalen Gisozi-Memorial Kigali im Rahmen der Parlamentarierdelegation von EGAM

Teilnahme an der offiziellen Genozid-Gedenkfeier im nationalen Gisozi-Memorial Kigali im Rahmen der Parlamentarierdelegation von EGAM

Teilnahme an der offiziellen Genozid-Gedenkfeier im nationalen Gisozi-Memorial Kigali im Rahmen der Parlamentarierdelegation von EGAM

Gemeinsam mit der EGAM-Parlamentarierdelegation und Botschafter Fahrenholtz konnte ich an der offiziellen Genozid-Gedenkfeier in Anwesenheit von Staatspräsident Paul Kagame und des tanzanischen Staatspräsidenten John Magufuli, Überlebenden des Genozids sowie staatlichen und kirchlichen Würdenträgern und Regierungsmitgliedern Rwandas und dem diplomatischen Corps teilnehmen. In diesem Jahr steht das 100-tägige KWIBUKA-Gedenken unter dem Motto „Fighting Genocide Ideology“.

Neben mir bildeten der französische Nationalversammlungsabgeordnete Hervé Féron (PS) sowie die Europaabgeordneten Julie Ward (UK, S&D), Frank Engel (Luxemburg, EVP) und Boris Zala (Slowakei, S&D) die parlamentarische Delegation, außerdem diverse Vertreter*innen der europäischen Zivilgesellschaft, aus Deutschland Anetta Kahane und Britta Kollberg von der Amadeo Antonio Stiftung, der deutschen Mitgliedsorganisation von EGAM. Die rwandische Seite zeigte sich sehr bewegt von der internationalen Solidarität, die u.a. auch durch die Teilnahme der Delegation an den Gedenkfeiern sichtbar wurde.

Presseberichterstattung i.d. rwandischen Tageszeitung The New Times

Anschließend konnte ich die Gelegenheit des Zusammentreffens mit EGAM-Präsident Benjamin Abtan und Verantwortlichen der britischen Stiftung AegisTrust (Freddy Mutanguha, Yves Kamuronso, James Smith), die unter anderem die Genozid-Gedenkstätte Gisozi und das dortige Museum konzipiert hat und weiterhin betreut, zu einem kurzen Austausch über die aktuelle Situation in der Zentralafrikanischen Republik, in der sowohl AegisTrust als auch deutsche Organisationen wie missio gemeinsam mit der zentralafrikanischen interreligiösen Plattform aktiv in der Versöhnungsarbeit tätig sind, nutzen. Hier ergeben sich viele Anknüpfungspunkte für verstärkte Nord-Süd-Süd-Kooperation. So ist sowohl der aktuelle Field-Manager von AegisTrust in Bangui, Freddy Mutanguha, als auch einer der im Rahmen der von missio unterstützen Initiative inovarCA dort verantwortlichen Friedensarbeiter, Laurien Ntezimana, selber Rwander. Ziel einer vertieften Zusammenarbeit könnte es sein, die leidvollen Erfahrungen in Rwanda für die Befriedung des Konfliktes in der Zentralafrikanischen Republik fruchtbar werden zu lassen. Da dieses auch Thema im Rahmen des internationalen Parlamentariernetzwerkes zur Genozidprävention ist, war es sehr hilfreich, EGAM und AegisTrust, die beide auch in diesem Bereich engagiert sind, hier in Kigali miteinander ins Gespräch zu bringen, um weitere Synergien zu ermöglichen. Auch für die zukünftige Arbeit des internationalen Parlamentariernetzwerkes wie der Bundesregierung im Rahmen der Konzepte zur zivilen Krisenprävention und der Friedens- und Versöhnungsarbeit erscheint es dringend empfehlenswert, sich in diesem Rahmen zu engagieren.

Gemeinsam mit der EGAM-Delegation gab es anschließend eine Führung durch die beeindruckende Gedenkstätte Gisozi. Der im Anschluss geplante Walk to Remember“ sowie die Nachtwache zur Erinnerung an den Beginn des Völkermordes am 7. April 1994 fielen allerdings dann einem heftigen Regen zum Opfer und wurden erst am Samstag nachgeholt, während ich schon wieder auf dem Weg zum Flughafen war.

Freitag, den 8. April 2016

Treffen mit der Ministerin für Flüchtlingsangelegenheiten, Seraphine Mukantabana

Mit der Ministerin für Flüchtlingsangelegenheiten, Seraphine Mukantabana

Mit der Ministerin für Flüchtlingsangelegenheiten, Seraphine Mukantabana

Erster Punkt des Tages war Gespräch mit der rwandischen Ministerin für Katastrophenschutz und Flüchtlingsfragen, Mme Mukantabana.

Rwanda beherbergt aktuell:
74.000 Flüchtlinge aus der Demokratischen Republik Congo (DRC) verteilt auf fünf Camps und 79.000 Burundiflüchtlinge, davon 48.000 im Mahama-Camp, einige Hundert in grenznahen Erstaufnahmelagern und der Rest über das Land verteilt.
Daneben gibt es offiziell 13 Asylbewerber aus Eritrea und einige Südsudanesen im Asylverfahren.

Der Umgang mit den burundischen Flüchtlingen ist aus Sicht der rwandischen Regierung ein sehr sensibles Thema, weil die burundische Regierung seit Monaten versucht, die Rolle Rwandas im Propagandafeldzug zur Legitimierung des eigenen Verfassungsbruchs und der eigenen Rolle in der katastrophalen innenpolitischen Situation zu instrumentalisieren. Dazu gehört u.a. die Unterstellung, dass im Camp bewaffnete Kämpfer angeworben werden. Die rwandische Regierung weist diesen Vorwurf natürlich zurück, gibt aber zu bedenken, dass die Camps offen seien und sie deshalb nicht ausschließen könne, dass einzelne Flüchtlinge das Camp verlassen und sich z.B. vom Territorium der DRC aus operierenden Gruppen anschließen.

Um nicht weiter in diesen Konflikt hineingezogen zu werden, wünscht sich die rwandische Regierung Resettlements der burundischen Flüchtlinge in nicht direkt an Burundi angrenzende Länder, um aus der Schusslinie zu geraten. Rwanda hat große Angst vor einem Überschwappen in die eigene Gesellschaft bzw. einer Ethnisierung des Konfliktes in Burundi. Rwanda hält es deshalb für nötig, dass hochstehende Flüchtlinge (Politiker, Militärs,) in andere, Nichtnachbar-Länder resettled werden, um ein Hochkochen antiburundischer Aktivitäten von rwandischen Boden aus zu vermeiden

Wesentlich aber bleibt natürlich, an politischen Lösungen für Burundi zu arbeiten, um einen heißen Bürgerkrieg in Burundi zu verhindern, den Geflüchteten eine sichere Heimkehr zu ermöglichen und eine weitere Destabilisierung der Subregion zu verhindern. Hier sind insbesondere die Afrikanische Union (AU) und die Ostafrikanische Gemeinschaft EAC gefordert, den politischen Druck massiv zu erhöhen. Deutschland ist hier schon im Herbst 2015 vorgeprescht und hat die staatliche Zusammenarbeit mit Burundi ausgesetzt. Dies wurde in Rwanda positiv vermerkt

Ein großes Problem in der Betreuung der großen Anzahl von Geflüchteten in Rwanda sei, dass für die Finanzierung der UNHCR- und World Food Program-Aktivitäten in Rwandas Flüchtlingslagern aktuell erst 17 % der für 2016 voraussichtlich benötigten Gelder international zugesagt seien. Hier muss die internationale Staatengemeinschaft, die doch immer wieder postuliert, möglichst heimatnah helfen zu wollen, dringend nachlegen!

Treffen der EGAM-Delegation mit dem Forum Rwandischer Parlamentarier gegen Genozid und Leugnung im Senat des rwandischen Parlamentes

Treffen der EGAM-Delegation mit dem Forum Rwandischer Parlamentarier gegen Genozid und Leugnung im Senat des rwandischen Parlamentes

Treffen der EGAM-Delegation mit dem Forum Rwandischer Parlamentarier gegen Genozid und Leugnung im Senat des rwandischen Parlamentes

Um 10 Uhr fand im Senatssaal auf dem Parlamentscampus in Kigali die gemeinsame Sitzung der rwandischen und der europäischen Parlamentarier-gruppen statt, an der auch diverse Vertreter*innen der europäischen wie der rwandischen Zivilgesellschaft teilnahmen. Präsidiert wurde diese Sitzung von Senats-präsident Bernard Makuza, sowie dem Präsidenten des rwandischen Parlamentarier-forums gegen Genozid und Leugnung und dem Präsidenten des Europeen Grassroots Antiracist Movements (EGAM), dem Franzosen Benjamin Abtan.

Analog zur Entstehung unseres Netzwerkes von Bundestagsabgeordneten für Genozidprävention und gegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde auch das rwandische Paramentarierforum im Jahr 2015 in Nachfolge der Genozidkonferenz im rwandischen Parlament, an der ich in der Delegation des Deutschen Bundestages im April 2014 in Kigali auch teilgenommen hatte, gegründet.

In meinem Redebeitrag ging ich zunächst auf die lange und vertrauensvolle deutsch-rwandische Zusammenarbeit und die Parallelen in unserer Geschichte in Bezug auf die leidvollen Erfahrungen mit Genozid und dessen Aufarbeitung und gesellschaftlicher Versöhnung ein.

Doch selbst nach dem Holocaust haben auch wir Europäer*innen es an vielen Orten dieser Erde weiterhin zugelassen, dass fürchterlichste Völkermorde geschahen und weiterhin drohen. Dies ist keinesfalls ein Ruhmesblatt unserer Geschichte und der Entwicklung eines durchsetzbaren Völkerrechtes.

Themen der Arbeit unseres deutschen überparteilichen Parlamentariernetzwerkes, welches von den Kollegen Diaby, Selle und mir im Anschluss an unsere Rwanda-Delegation in 2014 aus der Taufe gehoben wurde, sind deshalb insbesondere die historische Aufarbeitung der Völkermorde in Rwanda, Armenien, Namibia und unserer deutschen Mitverantwortung daran, sowie die Entwicklung eines präventiven Fokus auf die aktuellen Brandherde Burundi, Zentralafrika und Kurdistan/Yeziden.

Schon heute – und gerade durch die gemeinsamen Aktivitäten und vielfältigen Austausche während dieses Rwandabesuches – zeigen sich vielfältige positive Effekte und Anknüpfungspunkte für eine vertiefte zukünftige Zusammenarbeit. Gegenseitige Unterstützung, die Verstärkung der wissenschaftlichen Basis der Aufarbeitung von Völkermorden, gemeinsame Frühwarnsysteme zur Völkermordprävention durch Sensibilisierung der parlamentarisch Verantwortlichen, Nord-Nord- und Süd-Süd-Kooperationen sowie gemeinsame Projekte, um gelernte Lektionen z.B. in der zentralafrikanischen Republik präventiv fruchtbar werden zu lassen, könnten die Agenda internationalen Engagements von Parlamentariern zur Genozidprävention darstellen.

Presseberichterstattung i.d. rwandischen Tageszeitung The New Times

Besuch bei der rwandischen Außenministerin

Besuch bei der rwandischen Außenministerin

Besuch bei der rwandischen Außenministerin 

Kurzfristig hatte die rwandische Außenministerin Louise Mushikabwabo unsere EGAM-Delegation zu einem Gedankenaustausch ins Außenministerium eingeladen.

Frau Mushikabwabo nutzte das Zusammentreffen zunächst, um den herzlichen Dank der Regierung für den Solidaritätsbesuch aus Europa zu bekunden und benannte daraufhin zwei Gründe für die Einladung in ihr Ministerium:

Als „Beziehungsmanagerin“ sehe sie mit großer Freude Gruppen und Personen, die sich für die Intensivierung der Beziehungen Afrika-Europa engagieren. Außerdem mache ihr Sorgen, dass der Dialog Europa-Afrika aktuell nicht in dem Zustand sei, in dem er sein sollte, angesichts der großen Herausforderungen, vor denen die Welt heute steht.

Einen besonderen Fokus setzte sie dann in ihrem Statement zu Beginn des 90-minütigen Austausches auf die nach wie vor angespannte Beziehung ihres Landes zu Frankreich. Hier gäbe es großen Klärungsbedarf bei der Vergangenheitsbewältigung, die sicher schwierig sei, aber vor allem auch bei der Gestaltung der Zukunft.

Ein weiteres Gesprächsthema war die Einschätzung der Rolle Chinas auf dem afrikanischen Kontinent. Frau Mushikabwabo betrachtet diese relativ emotions- und ideologiefrei in Bezug auf den chinesischen Einfluss in Rwanda. China sei einfach eine Realität. Rwanda befürchtet aktuell nicht, von China ausgebeutet zu werden, weil es sich seiner eigenen Rolle klar sei. Von China erwarte Rwanda die Einhaltung des geltenden Rechtsrahmens, Probleme z.B. mit einigen Baufirmen, die Arbeitsrechte verletzten, würden direkt angesprochen und im Dialog ausgeräumt. Allerdings räumte auch Ministerin Mushikabwabo für den afrikanischen Gesamtkontext Probleme ein, die sie folgendermaßen auf den Punkt brachte: China hat eine Afrikastrategie – hat Afrika eine Chinastrategie? Als Beispiel könne der jüngste Afrika-China-Gipfel in Südafrika dienen. Chinas Präsident habe sich dort vier Tage Zeit genommen und zugehört. Eine Herangehensweise, die sie noch von keinem europäischen Staatschef erlebt habe.

Bezüglich Europas sei Rwanda froh über exzellente Beziehungen zur EU. Trotzdem blieben im Europa-Afrika-Dialog weiterhin viele Fragen offen, in denen ein Ausbau der Kooperation gute Ergebnisse für beide Seiten zeitigen können, z.B. im Engagement für Geflüchtete und Fluchtursachenbekämpfung, im Kampf gegen den Terrorismus oder für weltweiten Klimaschutz.

Informelles Treffen mit dem Vize-Chairman des Rwanda Development Boards, Herrn Serge Kamuhinda

Zu einem informellen Gedankenaustausch traf ich mich im Anschluss an das Treffen mit der Außenministerin in der Residenz des Botschafters mit jenem und dem Vize-Chairman des Rwanda Development Boards (RDB), Serge Kamuhinda, der als Flüchtling nach dem Völkermord in Deutschland aufwuchs.

Gesprächsthemen waren naturgemäß vor allem die Chancen des Ausbaus der wirtschaftlichen wie Entwicklungskooperation zwischen Rwanda und Deutschland.

Auch im Infrastruktursektor bekundete Kamuhinda – wie zuvor ja auch schon der Staatsminister für Infrastruktur – großes Interesse an stärkerem deutschen Engagement, gerade in der Frage der geplanten Schienenanbindung an Tanzania. Bisher erlebe man kaum Engagement der DB, so dass der Auftrag wohl von den Chinesen übernommen würde.

Einen Schwerpunkt der Arbeit des RDB lege man natürlich auf den Ausbau des Energiesektors. Rwanda will bis Ende 2017 jedem Haushalt Zugang zu elektrischem Strom ermöglichen, vor allem durch privatwirtschaftlich organisierte Offgrid-Solutions bei staatlich subventionierter Kostenfreiheit für die Ärmsten. Hierzu haben bereits vielerlei Aktivitäten eingesetzt, bei denen auch deutsche Privatunternehmen beteiligt sind.

Der weitere Ausbau Erneuerbarer Energien, v.a. der PV, im Stromnetz selbst dagegen ist in Rwanda aktuell etwas ins Stocken geraten, weil die Netzkapazität nicht ausreicht. Aus meiner Sicht ist es in diesem Sektor aber wichtig, dass nicht das eine auf das andere wartet, sondern dass Neuinstallationen und Netzausbau parallel vorangebracht werden. Dazu gibt es eine interessante Kooperation Rwandas mit Israel. Israel wäre bereit und in der Lage, angepasste Netztechnologie nach Rwanda zu bringen, würde dies aber gerne in Kooperation mit Deutschland machen.

Informelles Treffen mit Viateur Rucyahana, Programmdirektor bei Plate-Forme Noyau de Paix – Isoko ry’Amahoro und Verantwortlicher für Programmentwicklung und Ausbildung der Scout Association of Rwanda

Mit Herrn Rucyahana besprach ich ebenfalls Möglichkeiten trinationaler Projektarbeit im Rahmen von Capacity Building insbesondere in der Friedens- und Versöhnungsarbeit in Rwanda und der zentralafrikanischen Republik.

Samstag, 09.04.2016

Besuch des Mahama-Camps nach kurzem Zwischenstopp beim UNHCR-Büro in Kirehe

Besuch des Mahama-Camps

Besuch des Mahama-Camps

Im Mahama-Camp werden wir vom Direktor für Flüchtlingsfragen im Flüchtlingsministerium, dem UNHCR-Beauftragten in Rwanda sowie dem Camp-Staff herzlich in Empfang genommen.

Bei einem ersten Briefing in der Büro-Baracke im Camp erhalten wir grundsätzliche Informationen. In Mahama leben aktuell rund 48.000 Flüchtlinge aus Burundi, die übrigen ca 31.000 registrierten burundischen Flüchtlinge in Rwanda leben als Urban Refugees in Kigali und anderen größeren Städten. 46 Prozent der Camp-Bevölkerung sind Ein-Familien-Haushalte, mehr als 2.000 Kinder sind unbegleitet im Lager angekommen. Wöchentlich werden durchschnittlich 32 Kinder geboren.

UNHCR-Büro in Kirehe

UNHCR-Büro in Kirehe

Das am 22. April 2015 errichtete Mahama-Camp macht einen gut organisierten und sauberen Eindruck – dank UNHCR, vielen internationalen und nationalen Organisationen und dem Engagement der RWA Regierung. Die Flüchtlinge können sich außerhalb des Camps und innerhalb des Distriktes frei bewegen, sie verfügen über eine Arbeitserlaubnis.

Die Kinder des Camps werden in den ersten beiden Schuljahren im Camp selbst beschult, ab der dritten Klasse besuchen sie gemeinsam mit den Kindern der Ortschaft die dort neu errichtete Schule (112 Klassenzimmer, 269 Lehrer und 16.000 Schüler). Bemerkenswert ist, dass auch 112 Geflüchtete unter den Lehrer*nnen sind, die ebenfalls regulär vom rwandischen Staat angestellt sind. Hier kommt natürlich die nicht vorhandene Sprachbarriere zwischen Kirundi und Kinyarwanda positiv zum Tragen. Studenten können (theoretisch) die Universitäten besuchen. Dies scheitert jedoch zumeist an der Finanzierung.

Camp1Im Camp gibt es eine demokratische Mitbestimmungsstruktur, in die die Bewohner*innen auf „Village“ (24)-, „Quarter“ (8)- und „Executivcomittee“-Ebene jeweils sieben Repräsentanten wählen, die sich für die Belange der Camp-Bevölkerung einsetzen und diese gegenüber UNHCR und rwandischen Autoritäten vertreten. Dazu gehören jeweils auch Interessenvertreter*innen der Jugendlichen, Frauen und Behinderten. Diese waren auch bei dem Briefing für uns beteiligt und konnten uns ihre Sorgen (z.B. um ausreichend Baumaterialien/Wellblech, Feuerholz, Stromversorgung oder bessere Ernährung und Gesundheitsversorgung oder bessere Studienmöglichkeiten für angehende Akademiker unter den Geflüchteten) berichten. Geflüchtete werden als Volunteers in allen Services im Camp mit eingebunden und von den Betreiber-Organisationen im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch bezahlt eingestellt.Camp2

Die Ernährungssituation der Geflüchteten ist im Rahmen der UNHCR-Rationen überlebenssichernd, aber nicht üppig. Einmal monatlich erhält jeder Bewohner über das WFP seine Ration wie sie auf dem großen Plakat dargestellt ist. Besondere Zielgruppen erhalten zusätzliche Ergänzungsnahrung. Darüber hinaus können die Bewohner – soweit es ihre wirtschaftliche Situation hergibt – sowohl in den umliegenden Dörfern als auch auf dem inmitten des Camps von den Geflüchteten eigenständig aufgebauten Markt weitere Lebensmittel erstehen. Insgesamt ist der Anteil der gefährlich Unterernährten unter den Bewohnern in den letzten Monaten von etwa 10 % auf ca 6 % zurückgegangen.

Camp3Die Gesundheitsversorgung mit allen Basis-Gesundheits-diensten, Entbindungsstationen und Ernährungsberatung wird in zwei Zentren vom American Refugee Committee und Save the Children gesichert. Hierbei ist vieles noch im Aufbau, die Strukturen wirken aber insgesamt schon sehr professionell.Statistik

Ein großes Problem im Camp stellt die Bereitstellung von Energie für die Bedürfnisse der Bewohner dar. Erst drei der 24 „Villages“ haben Strom und auch Feuerholz ist knapp. So werden mithilfe einer großen Materialspende eines Herstellers Solarlampen an die Bewohner ausgegeben. Auch werden holzsparende Kochherden verteilt, die 80% weniger Holz benötigen. Holz zum Verfeuern, wie auch Bauholz, werden zentral organisiert und ebenso wie Wasserkanister und Kochgeschirr an die Bewohner verteilt.Camp7
Camp6


Camp8Auch die Wasserversorgung für die 48.000 Menschen stellte trotz der direkten Nähe zum Grenzfluss Akagera zunächst ein großes Problem für die Campbetreiber dar. Mittlerweile wurde mit Unterstützung von Oxfam eine große Wasseraufbereitungsanlage in Betrieb genommen, mit der täglich etwa 1.000 m3 Trinkwasser aus dem Akagera-Flusswasser gewonnen werden können. Damit gelingt es, jedem Bewohner täglich etwa 21 l sauberes Wasser zur Verfügung zu stellen.Camp9


Rückfahrt nach Kigali mit kurzem Zwischenstopp im Registrierungs-Camp

Rückfahrt nach KigaliAuf der Rückfahrt legten wir noch einen kurzen Zwischenstopp im Registrierungscamp Gatore ein. Dieses ist eines von mehreren grenznah gelegenen Erstaufnahmelagern, in denen Flüchtlinge nach Grenzübertritt innerhalb von drei Tagen registriert werden und einen ersten Gesundheitscheck bekommen.Registrierungs-Camp

Veröffentlicht in Afrika, Freiheit, Peter Meiwald Getagged mit: , ,

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