In dieser Woche jährte sich der fürchterliche Genozid in Rwanda zum 20. Mal.
Als Vertreter des deutschen Bundestages durfte ich in einer Delegation auf Einladung der rwandischen Parlamentspräsidentin Donatille Mukabalisa 3 Tage lang am “Kigali International Forum on Genocide“ sowie dann am Jahrestag selbst, dem 7. April, im Amahoro-Stadion in Kigali an den großen Gedenkfeiern mit Ban Ki-Moon und vielen internationalen Gästen teilnehmen.
Meine erste Auslandsdienstreise war für mich gerade wegen der 25-jährigen Geschichte, die mich bereits mit Rwanda und seinen Menschen verbindet, sehr bewegend.
Beim Forum, zu dem im rwandischen Parlamentsgebäude Abgeordnete aus Rwanda, Großbritannien, Deutschland und viele WissenschaftlerInnen, JournalistInnen und DiplomatInnen aus aller Welt zusammenkamen, diskutierten in 7 Panels Podien und Auditorium über die juristische und pädagogische Aufarbeitung des Genozids ebenso wie über die Rolle der Medien und der internationalen Gemeinschaft vor und während des 100-tägigen Horrors sowie die Frage, welche Lehren insbesondere ParlamentarierInnen und politisch Verantwortliche für die Zukunft daraus zu ziehen haben.
Klar wurde dabei, dass ein verbal wiederholtes „Never again“ dazu nicht ausreichend ist. Vielmehr müssen sich alle Beteiligten präventiv engagieren, wenn in einer Gesellschaft über IdeologInnen, Medien und politische MeinungsmacherInnen gruppenbezogene Ausgrenzungen und Bedrohungen stattfinden. Unstrittig war in diesem Zusammenhang auch die internationale Schutzverantwortung für deren Übernahme neben Regierungen eben auch wir ParlamentarierInnen eine Mitverantwortung haben. Deswegen ist ein Ergebnis der Arbeit auf dem Forum auch, dass wir – unterstützt durch die britische Stiftung Aegis Trust – auch versuchen werden, ein Parlamentariernetzwerk gegen Genozide, Massengräuel und Kriegsverbrechen aufzubauen.
Neben diesem offiziellen Tagungsprogramm konnte ich – hervorragend unterstützt durch Botschafter Peter Fahrenholtz und sein Team – noch eine Reihe informeller Gespräche mit VertreterInnen der Zivilgesellschaft Rwandas und der deutschen Entwicklungszusammenarbeit führen.
So trafen mein SPD-Kollege Karamba Diaby und ich zunächst die Führungsriege der Demokratischen Grünen Partei Rwandas (DGPR).
Nachdem die Partei um Dr. Frank Habineza, der auch Präsident der African Greens Federation ist und zeitweise im Exil in Schweden lebte, viele Jahre lang in Rwanda Ausgrenzungen und Einschüchterungen unterlag, ist sie seit der vergangenen Woche Mitglied des Rwandischen Parteienforums und kann nun etwas besser ihre Strukturen im Land aufbauen und sich auf die nächsten Parlamentswahlen, die für 2018 anstehen, vorbereiten. Dabei braucht unsere junge Schwesterpartei noch einiges an Unterstützung, denkbar wäre da z.B. auch ein Engagement unserer Heinrich-Böll-Stiftung.
Die nächsten Treffen brachten uns dann in Kontakt mit der rwandischen Sektion von Transparency International sowie den Menschenrechtsorganisationen LDGL (Ligue des Droits de l’homme des Grands Lacs) und MDD (Association Maison des Droits). Hier wurde deutlich, dass 20 Jahre nach der totalen Zerstörung der rwandischen Gesellschaft vieles in Rwanda mittlerweile gut entwickelt hat. Insbesondere der Kampf gegen Korruption, der Gesundheitssektor oder auch der Bildungsbereich genießen in Regierung und Zivilgesellschaft hohe Priorität. Das Land hat hier große Fortschritte machen können. Dagegen gibt es in Fragen der Meinungsfreiheit und der politischen Menschenrechte noch Defizite, an denen es zu arbeiten gilt.
Bei einem Arbeitsmeeting in den Räumen der giz in Kigali sowie zwei Abendessen auf Einladung von Botschafter Fahrenholtz trafen wir außerdem zu hoch interessanten Meinungsaustauschen mit Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses des rwandischen Parlamentes, der giz, von Aegis Trust, der Rheinland-Pfälzischen Partnerschaft zu Rwanda, dem offiziellen Leiter unserer Delegation für die Gedenkfeiern, dem Menschrechtsbeauftragten der Bundesregierung Christoph Strässer, und dem Leiter der UN-Friedensmission im Ostkongo, Martin Kobler, zusammen. Hier ging es u.a. um Möglichkeiten zur Lösung der Rebellenkonflikte im Ostkongo, an denen ja auch immer noch rwandische Flüchtlinge der FDLR maßgeblich beteiligt sind, und erneut um den Aufbau des Parlamentariernetzwerkes.
Besonders bewegend aber waren die beiden Genozid-Gedenkveranstaltungen, an denen wir teilnahmen.
Zunächst waren wir am Samstagnachmittag auf dem Gelände der ETO Kicukiro zur Abschlussveranstaltung der KWIBUKA-Tour, bei der seit Februar eine Erinnerungsflamme von Kommune zu Kommune und von einem Erinnerungsort eines Massakers zum nächsten gebracht wurde.
Die ETO war 1994 Schauplatz eines besonders finsteren Kapitels des Versagens der Blauhelm-Schutztruppen. Tausende von Tutsi und gemäßigten Hutu hatten sich in den Anfangstagen des Genozids auf das Schulgelände geflüchtet und bei den dort stationierten belgischen Blauhelmen Schutz gesucht. Ein Überlebender der Geschehnisse berichtete nun bei der Gedenkveranstaltung, wie sich die Situation zuspitzte und die bedrohten Menschen an die Blauhelme mit der Bitte wandten, unter deren Schutz zum Amahoro-Stadion, das bereits von den Truppen der FPR gegen die Interahamwe-Milizen geschützt wurde, gebracht zu werden. Dies wurde von den Blauhelmen ignoriert, die sich kurze Zeit später zurückzogen und die Flüchtlingen den Milizen und ihrem Schicksal überließen. Die Interahamwe zwangen die Flüchtlinge zu einem Marsch nach Nyanza, wo dann die Tutsi von den Hutu getrennt und abgeschlachtet wurden. Wenige der knapp 5000 Frauen, Männer und Kinder überlebten schwer verletzt und traumatisiert. Bedrückend bei der Kwibuka-Veranstaltung war auch das Zeugnis eines Täters und eines belgischen Ex-Blauhelms. Link
Höhepunkt unserer Delegationsreise war dann am Montag die Teilnahme an der großen Gedenkfeier im Amahoro-Stadion. Reden von Ban Ki-Moon, dem ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni und zum Abschluss des rwandischen Staatspräsidenten Paul Kagame standen neben einer großen musikalisch-theatralischen Inszenierung, die – beginnend mit der Kolonialzeit – Entstehung und Ablauf des Genozids eindringlich-dramatisch in Szene setzte. Emotionale Ausbrüche hallten währenddessen immer wieder durch das prall gefüllte Stadion und machten deutlich, dass es zwar in Rwanda eine große Kultur des Gedenkens und der staatlich angeordneten Aufarbeitung des Genozids gibt, dass aber individuell natürlich der Verlust der Familienangehörigen und die Traumatisierungen der 100 Tage Genozid nicht in einer Generation zu verarbeiten ist.
Bevor wir dann am Montagabend zurück nach Deutschland flogen, versammelte sich unsere deutsche Delegation noch mit unserem Botschafter beim nationalen Genozid-Mahnmal zu einer Kranzniederlegung.
Schreibe einen Kommentar