Flüchtlinge willkommen heißen

Resolution der Bezirkskonferenz Weser-Ems am 26.09.2015 in Berne

Europa, Deutschland, Niedersachsen und auch unsere Region Weser-Ems stehen aktuell vor der großen Herausforderung, in kurzer Zeit eine große Zahl von Flüchtlingen aus verschiedenen Teilen unserer Erde willkommen zu heißen. Auch wenn die Zahlen in unserem Land im Verhältnis zu Ländern wie dem Libanon, der Türkei, aber auch dem Tschad, Pakistan, Uganda oder Äthiopien im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl und ihrer Wirtschaftskraft leisten, sehr moderat sind, leisten unzählige Freiwillige, aber auch Mitarbeiter_innen in Organisationen und Verwaltungen Großartiges, um den Menschen, die vor und während ihrer Flucht unsägliches Leid erfahren haben und oftmals schwer traumatisiert sind, eine möglichst menschliche Aufnahme zu ermöglichen. Dieses Engagement verdient unsere höchste Anerkennung.

Flüchtlinge, die kurz zuvor mit einem Zug aus Österreich angekommen sind. Foto: Sven Hoppe/dpa

Flüchtlinge, die kurz zuvor mit einem Zug aus Österreich angekommen sind. Foto: Sven Hoppe/dpa

So unterschiedlich wie die Vorstellungen, mit denen die Menschen nach Europa kommen, sind auch die Ursachen ihrer Flucht. Das sind Krieg, Vertreibung, Verfolgung, Misshandlung, Diskriminierung, Perspektivlosigkeit, Hunger und unvorstellbare Armut. Uns muss klar sein:
Jeder Mensch, der flüchtet, hat dafür gute Gründe. Uns steht es nicht zu, das Leid des einen gegen die Not des anderen abzuwägen. Über die Erstaufnahme hinaus gilt es jedoch jetzt, die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen, um den Menschen, die weiterhin weltweit fliehen müssen, nicht die Tür vor der Nase zuzuschlagen und jenen, die bei uns angekommen sind, einen guten Start und eine erfolgreiche Integration zu ermöglichen.

Als GRÜNE sind wir uns unserer politischen Verantwortung bewusst. Den am Donnerstag, den 24.09.2015, ausgehandelten sogenannten Asylkompromiss lehnen wir ab, weil dieser die Situation der Flüchtlinge deutlich verschlechtert ohne echte Lösungen für die aktuellen
Herausforderungen für unsere Städte und Kommunen zu bieten. Da dieser Kompromiss auch dem rot-grünen Koalitionsvertrag widerspricht, erwarten wir von der Landesregierung, dass sie dem Gesetzespaket im Bundesrat nicht zustimmt. Offensichtlich grundgesetzwidrige Gesetzesverschärfungen sind für uns GRÜNE nicht tragbar. Das Grundgesetz muss unabhängig vom Aufenthaltsstatus für alle
Menschen Gültigkeit haben.

Die Weser-Ems-GRÜNEN fordern stattdessen, dass folgende Maßnahmen unverzüglich von der Bundesregierung im Einvernehmen mit den Bundesländern umgesetzt werden:

• Zur Entlastung der Asylverfahren müssen Menschen aus Syrien und Irak aus den Asylverfahren herausgenommen werden und – möglichst im Rahmen einer europäischen Quotenregelung – als Kontingentflüchtlinge anerkannt werden.
• Integrations- und Sprachkurse müssen flächendeckend und möglichst sofort zugänglich auch für Geduldete und Personen mit Aufenthaltsgestattung zur Verfügung stehen.
• Statt einer jetzt verabredeten „Gesundheitskarte light“ à la CDU fordern wir eine echte Gesundheitskarte für alle Flüchtlinge, die den medizinischen und humanitären Anforderungen gerecht wird.
• Möglichkeiten der Unterstützung der medizinischen Erstversorgung der Geflüchteten durch medizinische Kapazitäten der Bundeswehr sollten auf Anforderung der Aufnahmeeinrichtungen hin wohlwollend geprüft werden.
• Übergangsweise müssen insbesondere alle öffentlichen Gebäude auf ihre Nutzbarkeit zur Flüchtlingsunterbringung hin geprüft werden, um rechtzeitig vor dem Winter ausreichend winterfeste Aufnahmekapazitäten zur Verfügung stellen zu können.
• Ein Sofortprogramm zur Schaffung günstigen Wohnraums auf Bundesebene – nicht nur für Flüchtlinge – muss aufgelegt werden.
• Das Konzept der sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ ist ein fataler Irrweg. Das individuelle Grundrecht auf Asyl muss erhalten bleiben.
• Das rückwirkend festlegte Beschäftigungsverbot für Flüchtlinge aus den Balkanstaaten ist der völlig falsche Weg. Stattdessen benötigen wir endlich das längst überfällige Einwanderungsgesetz.

Unsere GRÜNEN Eckpunkte für die weitere Flüchtlingspolitik Deutschlands in Europa:

• Das Dublin-Abkommen ist gescheitert und muss schnellstmöglich durch eine gerechte europaweite Aufnahmeregelung ersetzt werden.
• Die von der GroKo angekündigte Verkürzung der Duldungsbefristungen auf drei Monate, sowie die geplante Wiedereinführung des gerade erst abgeschafften Sachleistungsprinzips lehnen wir ab. Die von der GroKo durchgesetzte darüber hinausgehende extra schlechte Sonderbehandlung von einzelnen Flüchtlingsgruppen zum Zwecke der Abschreckung ist falsch, sinnlos und unwürdig.
• Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft und die Menschen ins Sozialgesetzbuch SGB überführt werden.
• Es müssen neue Möglichkeiten zur Arbeitsmigration insbesondere für Personen aus Drittstaaten geschaffen werden.
•Die militärische Bekämpfung von Schleusern auf dem Mittelmeer oder sogar auf dem afrikanischen Kontinent ist für GRÜNE nicht akzeptabel. Menschen, die vor massiver Bedrohung und Not fliehen, brauchen legale Einreisemöglichkeiten, um in die EU zu gelangen.
• Fluchtursachen müssen stattdessen an der Wurzel bekämpft werden. Dazu müssen die Themen „Rüstungsexporte“, „Klimakrise“ ebenso wie das krasse Missverhältnis von ca. 1:200 zwischen Maßnahmen der zivilen Krisenprävention und Konfliktbearbeitung auf der einen Seite und dem Verteidigungshaushalt auf der anderen im Bundeshaushalt bearbeitet werden.
• Die Realität der Flüchtlinge, die an den europäischen Außengrenzen temporär scheitern (z.B. in Marokko) oder die auf ihrer Flucht massiven Gefahren ausgesetzt sind, muss in den Blick der deutschen humanitären Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit genommen werden – Abschreckungszentren wie im Niger sind nicht unsere GRÜNE Antwort!

Uns ist bewusst, dass es in unserer Gesellschaft und auch in unserer Region Menschen gibt, die der gegenwärtigen Situation mit Angst, aber auch mit Aggression begegnen. Während zum Abbau von Ängsten vielfältige Begegnungsangebote mit Flüchtlingen ausgeweitet werden sollten, müssen geistige und faktische Brandstifter die volle Härte des Strafgesetzbuches erfahren. Rechtsradikalismus und -Populismus muss entschieden entgegen getreten werden.

Unsere Region ist geprägt von einer langen Migrationsgeschichte. Unser Land lebt von seiner Vielfalt, dem Engagement und den Ideen der Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft. In Weser-Ems ist kein Platz für Rassisten und Rechtspopulisten.

Quelle: Resolution der Bezirkskonferenz Weser-Ems am 26.09.2015 in Berne.

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