Moin! Und herzlichen Dank zunächst an Euch im Kreisvorstand für die Einladung zu Euch in die Wesermarsch.
Als nächstes ist es mir ein Anliegen, an die vielen Menschen, die in diesem schwierigen Jahr bereits zwischen dem Neujahrstag und dem heutigen „Neujahrs“-Empfang ihr Leben verloren haben, zu denken und kurz innezuhalten – als Ertrunkene auf der Flucht über das Mittelmeer, als Opfer von Terrorismus und Staatsterrorismus in Syrien, Afghanistan, in Darfur, Südsudan, Burundi und der Zentralafrikanischen Republik, aber auch in Israel, Palästina und mit trauriger Aktualität gerade wieder in der Türkei.
Gleich beim Thema: Flucht und Fluchtursachen
60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht – nur relativ wenige sind bisher zu uns in die EU, nach Deutschland gekommen – Türkei, Pakistan, Libanon, Äthiopien haben die meisten aufgenommen, doch die allermeisten bleiben als sogenannte Binnenflüchtlinge im eigenen Land.
Trotzdem: Herausforderung für Deutschland
Zunächst die guten Nachrichten:
- Wir als Land sind extrem reich
- Wir als Menschen – zumindest zu einem ganz großen Teil der hier in Deutschland Lebenden – übrigens auch – im Weltmaßstab sowieso, aber auch sehr konkret
- Wir müssen nicht – wie unsere Vorfahren nach dem 2. Weltkrieg – in unseren Wohnungen zusammenrücken und Zwangseinquartierte aufnehmen
(die Familie meiner Mutter fand so ganz hier in der Nähe in Oldenbrok auf einem kleinen Hof Aufnahme – ein Hof, wo ich als Kind immer wieder gerne gewesen bin – aber ich weiß auch, dass die Aufnahme der Oberschlesier für die Bauernfamilie damals auch eine große Herausforderung war) - Unsere Löhne und Gehälter wurden nicht gekürzt, Steuererhöhungen sind in der aktuellen Finanzlage bei unserer „schwarzen Null Schäuble“ nicht angezeigt – es geht um Verteilung des Geldes, das beim Bund liegt, an Länder und vor allem Kommunen, die die großen Herausforderungen zu schultern haben
- Wirtschaftswissenschaftler berechnen allein für die bisherigen Aufwendungen der Flüchtlingsaufnahme einen Konjunktureffekt mindestens in Höhe der Abwrackprämie – also ca 0,5 % des BIP (Wachstumsfrage außen vor)
Also – gute Gründe für Optimismus. Wir haben auch die Herausforderungen mit den Vertriebenen (viel mehr in schlechterer Zeit), den vielen Geflüchteten 1993 oder auch der deutschen Einheit bewältigt.
Aber: Politik muss auch Sorgen wahrnehmen und jetzt auch Lösungen anbieten, nicht nur Herausforderungen benennen!
Was passiert in der GroKo?
CSU-Generalsekretär Scheuer: „Jeder Karnevalsverein besser organisiert als die SPD“ – das mag angesichts des unsäglichen Herumgeeiers von Sigmar Gabriel aktuell in der Frage des Familiennachzuges sogar stimmen.
Viel schlimmer aber ist doch: Jede anarchistische Bauwagenkolonie ist christlicher als CDU und die CSU eines Herrn Scheuer, die überhaupt auf die Idee kommt, Frauen mit ihren Kindern in die Hände von Schleusern und in wackelige Boote auf dem Mittelmeer zu treiben, wenn diese ihr Leben retten wollen und ihre Familie zusammenführen wollen.
Diese unsägliche Debatte hatten wir gestern im deutschen Bundestag.
Schwer erträglich, wie die Abgeordneten der Partei mit dem C geradezu euphorisch applaudierten.
Es war offensichtlich, da gab es eine Minutenansage, um mit Pseudoapplaus Einigkeit der CDU/CSU zu suggerieren und die tiefe Spaltung und Verunsicherung der Fraktion zu kaschieren, die SPD-Kolleg*innen saßen mit versteinerter Miene dabei als Minister de Maizière und der Baden-Württemberger Wahlkämpfer Thomas Strobl Werbung dafür machten, Frauen und Kinder, die zukünftig nicht mehr auf einen Familiennachzug hoffen dürfen, in weitere Schlepper-Schlauchboote aufs Mittelmeer zu zwingen, und massenweise Schnellabschiebungen anpriesen. Außerdem sollen auch die Geldleistungen für bei uns Schutzsuchende über das Asylbewerber-Leistungsgesetz noch weiter gekürzt werden.
Dieses Asylpaket ebenso wie die weiterhin geplante Ausweitung des Konzeptes der „sicheren Herkunftsstaaten“ um Marokko, Tunesien und Algerien kann man als den Menschrechten verpflichteter Christ und Humanist nur ablehnen.
Wie abenteuerlich diese Idee überhaupt ist, wird vielleicht auch an Folgendem deutlich: In Marokko wird nachweislich gefoltert und in Algerien wird die Protestbewegung gewaltsam unterdrückt. Die Maghreb-Staaten als sicher zu erklären und im Gegenzug einigen sogenannten „Altfällen“ ein Bleiberecht in Deutschland zuzusichern, ein solcher Deal ist mit mir nicht zu machen.
Wer das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entlasten will, kann gerne Altfallregelungen im Bestandsverfahren einführen, aber das darf für uns GRÜNE nicht zur Verteilmasse und zum Spielball bei der Zustimmung zur Einführung weiterer „sicherer Herkunftsstaaten“ oder sogar zu Einschränkungen beim Familiennachzug etc. werden.
Im Übrigen, was soll das überhaupt, ständig mit Aktionismus-Paketen einer sogenannten „Flüchtlingskrise“ entgegenzutreten. Der UN High Commissioner für Flüchtlingsfragen, Filippo Grandi, den ich in dieser Woche in Berlin traf, stellte dazu die richtigen Fragen. U.a. stellte er die Rede von „Flüchtlingskrise“ in Frage. Korrekt wäre sicherlich, davon zu sprechen, dass es in vielen Staaten unserer Einen Welt, besonders natürlich aktuell in Syrien, eine massive politische (und militärische) Krise, ja ein Versagen der internationalen Gemeinschaft, gäbe. Die Geflüchteten sind nicht die Krise, sondern Opfer dieser Krise(n).
Was sagen wir GRÜNE zu den anstehenden Herausforderungen?
Obergrenzen bieten keine Lösungen verfassungsmäßig und faktisch (Storch-Prinzip?), kein Konzept der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten löst das Problem ebenso wenig wie das Geschrei nach schnelleren Abschiebungen. Das ist reine populistische Simulation von Politik und Handlungsfähigkeit!
Wir brauchen mehr Integration und nicht weniger!
Deshalb:
– Familiennachzug – wer in existentieller Sorge um seine Familie ist, kann sich nicht integrieren
– (Schul-) Sozialarbeit ausbauen und als Chance nutzen
– Sprachkurse
– Professionelle Unterstützung der unfassbar vielen, tollen Ehrenamtlichen z.B. auch durch Supervisionsangebote
– Arbeitsmarkt
– Unterbringung – d.h. bezahlbarer Wohnraum für alle – und nicht nur für Schutzsuchende!
– Verunsicherung – Polizei – Kriminalitätsstatistik – mehr Kriminalität, aber nicht durch Geflüchtete, sondern durch Rassisten! Außerdem: „Arschlochquote in jeder Bevölkerung ähnlich“ – Hayali: „Glaubt eigentlich irgendjemand, dass das irgendetwas bringt, dieser ganze Hass?“
Hier kommt nichts von den Lautsprechern der großen Koalition!
Perspektiven für die weitere Entwicklung?
Da sind wir wieder bei der Frage der so oft beschworenen Fluchtursachenbekämpfung. 62 Superreiche besitzen so viel wie die halbe Welt. Seit mehr als einem Jahrhundert gedeiht unser Wohlstand – in einem rohstoffarmen Land – auf Kosten billigster Rohstoffe und landwirtschaftlicher Grundprodukte aus den Ländern des Südens, den ehemaligen Kolonien.
Klimaschäden – Klimaflucht
Trotz klarer Regeln – keine Waffen in Krisenregionen – deutsche Rüstungsexporte gehen weiterhin nach Katar, Saudi-Arabien, Algerien oder die Türkei – alles akute Krisenregionen! Gerade gestern hat Sigmar Gabriel wieder einen Rüstungsexportbericht mit verheerenden, beschämenden Zahlen vorgelegt. Waffen für 7,5 Mrd € gingen von Deutschland hinaus in alle Welt – und bei aller Pseudo-Rhetorik von Sigmar Gabriel: Die GroKo hat unseren Antrag, ein Rüstungskontrollgesetz endlich vorzulegen – eine Forderung, die auch die SPD sonst immer unterstützt hat – am Donnerstag mit ihrer Mehrheit abgelehnt – es gab aus CSU und SPD jeweils eine Ja-Stimme.
Unsere Wirtschaft – nein, einige wenige Unternehmen – profitieren.
Partnerländer Saudi-Arabien, Katar, Türkei??? In die Pflicht nehmen!
Fluchtursachenbekämpfung als oberstes Politikziel der Regierung würde hier anders entscheiden müssen – das muss sich insbesondere der neue Genosse der Bosse, Sigmar Gabriel, sagen lassen.
Wo geht’s hin?
Fluchtursachenbekämpfung, weltweites Krisenmanagement über demokratisierte UNO und den UNHCR nötig, aber in weiter Ferne.
Mittelfristig also nur über europäische Lösung
Dabei: Paradebeispiele für mangelndes Gemeinschaftsdenken und –handeln sind die sogenannten Dublin-Abkommen, nach denen Flüchtlinge Asylanträge in den Staaten der EU stellen müssen, die sie zuerst betreten. Damit zogen sich die Staaten ohne EU-Außengrenzen aus der Verantwortung und bürdeten den Staaten mit EU-Außengrenzen Aufgaben auf, die sie allein überfordern mussten. Bereits 2003, als das Abkommen zu einer Verordnung der EU, also unmittelbar geltendes Recht wurde (Dublin II), hätte solidarisch Gemeinschaftspolitik gestaltet, d. h. gemeinsame Verantwortung aller Mitgliedsstaaten an den EU-Außengrenzen übernommen werden können, mit der Neufassung 2013 (Dublin III) vereinbart werden müssen. Das bedeutet auch: Kontrollen und Registrierungen gemeinsam durch Institutionen der Gemeinschaft an den EU-Außengrenzen, Einreise- und Aufnahmeverfahren nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der Grundrechtecharta, den Verträgen und Vereinbarungen der EU. Unter diesen Voraussetzungen dann die Verteilung der Asylbewerber solidarisch auf die Mitgliedsstaaten. Stattdessen mussten und müssen wir die humanitären Katastrophen im Mittelmeer erleben, wird die Freizügigkeit in der EU gefährdet, damit wertvolle Errungenschaften, Grundlagen der Gemeinschaft, schließlich die Europäische Union insgesamt.
Seit Jahren konstatieren wir ein fehlendes Wir-Gefühl in der Gemeinschaft. Das betrifft in zunehmendem Maße Bevölkerungsteile und politische Formationen, teilweise Regierungen in den Mitgliedsstaaten. Umso notwendiger ist das europapolitische Engagement.
Allerdings: für Finanzkrisen und Bankenrettungen gab es großes Engagement und diverse Gipfeltreffen – kann man sagen „Wären die Geflüchteten eine Bank, wir hätten sie längst gerettet“?
Auch hier zeigte sich allerdings in Brüssel schon in den vergangenen Jahren, dass Europa eher als Wirtschafts- und Finanzunion angesehen wird, sicherlich nicht als Solidargemeinschaft.
Doch ohne demokratische Grundwerte und Strukturen, ohne Solidarität der Menschen wie der Regierungen keine europäische Gemeinschaft!
Einigen Regierungen in den Mitgliedsstaaten der EU scheint dieses Bewusstsein inzwischen abhanden gekommen zu sein.
Septemberbeschluss: 160.000 Geflüchtete in Europa verteilen – Stand 20.01.16: 312 Personen verteilt!
Und von Finnland bis Italien, von Großbritannien bis Ungarn versuchen politische Gruppierungen mit nationalkon-servativen Parolen, diese Entwicklungen rückgängig zu machen. Oft gefährden sie beides: die Demokratie in ihrem Lande und die europäische Einigung !
Wo ist da die angeblich mächtigste Frau der Welt, Angela Merkel? Führungsrolle in Europa?
Und wie geht’s unserer Umwelt? Ich stehe hier ja nicht nur als regionaler Abgeordneter, sondern auch als umweltpolitischer Sprecher meiner Fraktion.
Trinkwasser
Mikroplastik
Ressourcenverschwendung – WertstoffG
Stickoxide – Dieselgate – Mobilitätswende – ÖPNV – Vernetzung – Carsharing – E-Mobility
Kein politischer Wille der GroKo, hier etwas in den Griff zu bekommen!
Klimaschutz
Energiewende – Windkraftausbau
Kohleausstieg
In der Welt lächeln – zu Hause schwächeln!
Immer wieder landen wir bei unserem Konsum, bei unserer Art, uns zu ernähren, unserem Mobilitätsverhalten, …
Bei unserem Hunger – nicht nur auf unsere Ressourcen, sondern auch auf diejenigen unserer Kinder und Kindeskinder sowie vieler Menschen in den Ländern des globalen Südens – wobei wir wieder bei den Fluchtursachen wären!
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