Umweltrecht: Recht bekommen ausgeschlossen?

Was nützen Umweltgesetze, wenn die Bundesregierung dafür sorgt, dass bei fehlerhafter Anwendung des geltenden Rechtes durch die Behörden, diese Fehler nicht vor Gericht korrigiert werden können? Diese Frage stand im Zentrum der Anhörung zum Umweltrechtsbehelfsgesetz. Dabei wurde auch von Gutachtern der Regierungsfraktionen dieser Europa- und Völkerrechtsbruch klar benannt.

Wenn ein Gutachter in seiner Stellungnahme zu einem Gesetzesentwurf davon spricht, dass man peinlich berührt sei, dass nach vielen Jahren, dutzenden Veröffentlichungen in der Rechtsliteratur und einer Reihe von Urteilen des Europäischen Gerichtshofes es noch immer nicht gelungen ist, einen Entwurf vorzulegen, der nicht europarechtlich und völkerrechtlichen Verpflichtungen entspricht, könnte man meinen, er wurde von der Opposition benannt und es wäre eine Einzelmeinung. Doch weit gefehlt. Zweidrittel der benannten Gutachter sehen es inhaltlich genauso, wie der von der SPD benannten Gutachter, der einen Gesetzentwurf aus dem Hause der Bundesumweltministerin Hendricks (SPD) eine glatte 6 erteilt.

Nicht besser wird der Blick auf den Gesetzestext, wenn in der Stellungnahme des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) indirekt auch noch der Gesetzgeber aufgefordert wird, doch noch ein bisschen mehr die internationalen Verpflichtungen zu ignorieren.

Worum geht es?

Die Bundesregierung war aufgrund von Urteilen des Europäischen Gerichtshofsgezwungen, einen Gesetzesentwurf zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben (Bundestagsdrucksache 18/9526) vorzulegen. Im Kern geht es darum, einen weiten Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten zu etablieren. Dieses ist ein in der Aarhus-Konvention (AK) festgelegter Grundsatz, die von Deutschland ratifiziert worden ist. In Kraft trat die Konvention dann 2001. Nach langen Vorarbeiten, wurden die Vorgaben der Konvention mit der Schaffung des Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) 2006 in nationales Recht umgesetzt. Die EU (als Vertragspartner der Aarhus Konvention) hatte hierzu 2003 Richtlinien erlassen, die Deutschland umzusetzen hatte.

2015 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) Deutschland für die mangelhafte Umsetzung der AK gerügt. Die Entscheidung des EuGH insbesondere die Präklusionsregeln im deutschen Verwaltungsverfahrensrecht, sowie Kausalitätserfordernisse bei Fehlern im Verwaltungsverfahren. Dies bedeutet, dass der deutsche Staat Hemmnisse aufbaut, um die gerichtliche Überprüfung von behördlichen Entscheidungen in Umweltrechtsangelegenheiten zu verhindern. Oder anders gesagt, wenn Behörden bei Entscheidungen geltendes Umweltrecht verletzen, darf nicht immer dagegen geklagt werden, um diese Rechtsverletzung zu heilen.

Wer hat das Sagen?

Warum dies so ist, wurde auch in der am Montag abgehaltenen Anhörung deutlich. Etwas überspitzt gesagt, fürchtete der Vertreter der deutschen Industrie um ihre wirtschaftliche Stärke, wenn für sie die gleichen rechtlichen Regelungen gelten würden, wie in den Nachbarstaaten, die die Konvention rechtskonform umgesetzt haben. Und die Bundesregierung kuscht.

Die Mär von wild klagenden Umweltverbänden

Gleichzeitig wurde wieder die Mär verbreitet, dass Umweltverbände grundlos alle Vorhaben in Deutschland beklagen würden, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Dieser Vorwurf ist eindeutig widerlegt. Weder gibt es bisher viele Verfahren, noch zeigen die Urteile, dass diese Verfahren grundlos erfolgten. Laut einer Studie wurde im Zeitraum 15.12.2006 bis 15.04.2012 insgesamt 58 gerichtliche Verfahren anerkannter Umweltvereinigungen nach dem UmwRG ermittelt. Dies ergibt rechnerisch einen Mittelwert von rund zwölf Verfahren jährlich in ganz Deutschland. Im Vergleich zu sonstigen Klagen im Verwaltungsrecht sind dies extrem wenige Verfahren und sie sind überdurchschnittlich erfolgreich. Das alles zeigt eindeutig, das Recht zur Klage wird überaus sorgfältig genutzt und zwar immer dort wo behördliche Fehler so gravierend sind, dass ein Erfolg vor Gericht sehr wahrscheinlich ist.

Warum Umweltrecht nicht durchsetzen?

Wenn man nicht möchte, dass eine Vorschrift gilt, sollte der Gesetzgeber sie nicht beschließen oder er sollte diese Gesetze entsprechend ändern. Wir finden, erst Gesetze beschließen und dann verhindern, dass dieses Recht auch durchgesetzt wird, ist eines Parlaments nicht würdig. Deshalb fordern wir die Fraktionen von SPD und CDU/CSU auf, diesem Gesetzentwurf solange nicht zuzustimmen bis er den Vorgaben der Aarhus-Konvention entspricht.

Rechtsschutz ausweiten, Ausnahmen abschaffen

Der Rechtsschutz sollte sich nicht nur auf solches Verwaltungshandeln beschränken, das mit einem Verwaltungsakt oder einem öffentlich-rechtlichen Vertrag endet, sondern es sollte jegliches Behördenhandeln vor Gericht überprüfbar sein. Dazu zählen auch Rechtsverordnungen wie etwa Flugroutenfestlegungen. Auch die Begrenzung auf „Vorhaben“ gilt es zu überwinden. So muss auch die Anfechtung von Produktgenehmigungen, die unter Verstoß gegen Umweltvorschriften hergestellt werden, möglich sein.

Die im Gesetzesentwurf dem Rechtsschutz grundsätzlich entzogene Überprüfbarkeit von Raumordnungsplänen der Windenergie und der ebenfalls eigens eingefügten Bereichsausnahme für den Bundesverkehrswegeplan in Artikel 2 Nummer 5 und 7 des Entwurfes sind zu streichen.

Diese Liste lässt sich noch weiter fortsetzen. Weitere fragwürdige Regelungen sind von den Gutachtern in ihren Stellungnahmen benannt worden. Die Stellungnahmen der Gutachter finden sie hier.

Hier könnt ihr euch das Video der öffentlichen Anhörung anschauen:

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